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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Tasche zog er einen Briefumschlag, auf dem nur ein Wort stand. Das Wort war Liebling . »Erinnern Sie sich, daß Sie versprochen haben, für mich jemandem einen kleinen Streich zu spielen, Dr. Frankel?«
    »Ich bin kein Doktor...«
    Mr. Gaunts Brauen zogen sich auf eine Art zusammen, die Everett sofort verstummen ließ.
    »Sie erinnern sich doch, oder etwa nicht?« fragte Mr. Gaunt scharf. »Sie täten gut daran, schnell zu antworten, junger Mann – ich bin mir nämlich, was Ihre Pfeife angeht, nicht mehr so sicher wie eben.«
    »Ich erinnere mich!« sagte Everett. Seine Stimme klang hastig und verschreckt. »Sally Ratcliffe! Die Sprechlehrerin!«
    Die gerunzelte Mitte von Mr. Gaunts durchgehender Braue entspannte sich, und mit ihr entspannte sich Everett Frankel. »So ist es. Und die Zeit für diesen kleinen Streich ist gekommen, Doktor. Hier.«
    Er hielt ihm den Umschlag hin. Everett nahm ihn, bemüht, nicht mit Mr. Gaunts Fingern in Berührung zu kommen.
    »Heute ist schulfrei, aber Miss Ratcliffe ist in ihrem Büro in der Grammar School und arbeitet Akten auf«, sagte Mr. Gaunt. »Ich weiß, daß die Schule nicht auf Ihrem Weg zur Farm der Burgmeyers liegt...«
    »Woher wissen Sie so viel? « fragte Everett.
    Mr. Gaunt tat das mit einer ungeduldigen Handbewegung ab.
    »... aber Sie könnten es so einrichten, daß Sie auf dem Heimweg vorbeifahren, ja?«
    »Ich denke schon...«
    »Und da Außenstehende in einer Grammar School, selbst wenn die Schüler nicht da sind, mit einigem Argwohn betrachtet werden, könnten Sie Ihre Anwesenheit damit erklären, daß Sie ins Büro der Schulschwester hereinschauen wollen, ja?«
    »Wenn sie da ist, könnte ich das vermutlich tun«, sagte Everett. »Ich müßte es sogar, weil...«
    »... weil Sie immer noch nicht die Impfpässe vom Kindergarten abgeholt haben«, beendete Mr. Gaunt den Satz für ihn. »Das ist gut. Sie wird nicht da sein, aber das wissen Sie schließlich nicht, oder? Stecken Sie einfach den Kopf in ihr Büro und gehen Sie dann wieder. Aber ich möchte, daß Sie auf ihrem Weg hinein oder heraus diesen Umschlag in den Wagen legen, den Miss Ratcliffe von ihrem jungen Mann geliehen hat. Ich möchte, daß Sie ihn unter den Fahrersitz legen – aber nicht vollständig darunter. Ich möchte, daß Sie ihn so hinlegen, daß gerade eine Ecke davon zu sehen ist.«
    Everett wußte sehr gut, wer »Miss Ratcliffes junger Mann« war: der Sportlehrer der High School. Wenn er die Wahl gehabt hätte, hätte Everett lieber Lester Pratt den Streich gespielt als seiner Verlobten. Pratt war ein muskulöser junger Baptist, der gewöhnlich blaue T-Shirts trug und blaue Trainingshosen mit weißen Streifen an der Außenseite jedes Hosenbeines. Er war die Art Mann, aus dessen Poren Schweiß und Jesus in anscheinend gleich großen (und reichlichen) Mengen strömen. Everett hatte nicht viel für ihn übrig. Er fragte sich beiläufig, ob Lester bereits mit Sally geschlafen hatte – sie sah verdammt gut aus. Er dachte, daß die Antwort vermutlich nein lautete. Er dachte weiter, daß, wenn Lester nach ein bißchen zuviel Schmuserei auf der Veranda in Hitze geraten war, Sally wahrscheinlich von ihm verlangte, daß er im Hintergarten Liegestütze machte oder ein Dutzend Mal um das Haus herumsprintete.
    »Sally fährt wieder das Prattmobil?«
    »So ist es«, sagte Mr. Gaunt, ein wenig gereizt. »Sind Sie fertig mit Ihren Witzchen, Dr. Frankel?«
    »Natürlich.« In Wahrheit verspürte er abgrundtiefe Erleichterung. Er war ein wenig beunruhigt gewesen wegen des »Streiches«, den Mr. Gaunt von ihm verlangt hatte. Jetzt erkannte er, daß seine Unruhe albern gewesen war. Schließlich verlangte Mr. Gaunt nicht, daß er der Lady einen Knallfrosch in den Schuh steckte oder ein Abführmittel in ihre Schokoladenmilch schüttete oder etwas dergleichen. Welchen Schaden konnte ein Briefumschlag anrichten?
    Mr. Gaunts Lächeln, sonnig und strahlend, kam wieder zum Vorschein. »Sehr gut«, sagte er. Er kam auf Everett zu, der mit Grausen bemerkte, daß Mr. Gaunt allem Anschein nach vorhatte, einen Arm um ihn zu legen.
    Everett wich hastig zurück. Auf diese Weise manövrierte Mr. Gaunt ihn bis zur Tür und öffnete sie.
    »Viel Freude mit Ihrer Pfeife?« fragte Mr. Gaunt lächelnd. »Habe ich Ihnen gesagt, daß sie einst Sir Arthur Conan Doyle gehört hat, dem Schöpfer des großen Sherlock Holmes?«
    »Nein!« rief Everett Frankel.
    »Natürlich habe ich das nicht gesagt«, sagte Mr. Gaunt lächelnd, »denn

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