In einer kleinen Stad
mit in die Stadt bringen, damit der Doktor – der bald hier sein würde – sie untersuchen und entscheiden konnte, ob sie zur Beobachtung ins Krankenhaus gebracht werden mußte.
Normalerweise wäre Everett gar nicht glücklich darüber gewesen, als erstes einen Hausbesuch machen zu müssen, zumal so weit draußen, aber an einem so ungewöhnlich heißen Morgen wie diesem schien eine Fahrt aus der Stadt heraus genau das Richtige zu sein.
Außerdem war da die Pfeife.
Sobald er in seinem Plymoth saß, schloß er das Handschuhfach auf und holte sie heraus. Es war eine Meerschaumpfeife mit einem tiefen, breiten Kopf. Sie war von einem Meister seines Fachs geschnitzt worden, diese Pfeife; Vögel und Blüten und Ranken wanden sich in einem Muster um den Kopf, das sich zu verändern schien, wenn man es unter einem anderen Blickwinkel betrachtete. Er hatte die Pfeife nicht nur deshalb im Handschuhfach gelassen, weil in der Praxis nicht geraucht werden durfte, sondern auch, weil ihm der Gedanke mißfiel, daß irgendwelche anderen Leute (insbesondere eine Schnüffeltante wie Nancy Ramage) sie sahen. Zuerst würden sie wissen wollen, wo er sie herhatte. Und dann würden sie wissen wollen, was er dafür bezahlt hatte.
Und manchen von ihnen würde danach gelüsten.
Er klemmte das Mundstück zwischen die Zähne, staunte abermals, wie absolut richtig es sich dort anfühlte, wie absolut am rechten Ort. Er schwenkte den Rückspiegel so, daß er sich selbst sehen konnte, und war mit dem, was er sah, vollauf zufrieden. Er fand, die Pfeife ließ ihn älter, weiser und attraktiver aussehen. Und wenn er sie zwischen den Zähnen hatte und der Kopf genau im richtigen, eleganten Winkel ein wenig nach oben geneigt war, dann fühlte er sich älter, weiser und attraktiver.
Er fuhr die Main Street hinunter, hatte vor, die Tin Bridge zwischen der Stadt und dem Land zu überqueren, und nahm dann, als er sich Needful Things näherte, den Fuß vom Gaspedal. Die grüne Markise zog ihn an wie ein Angelhaken. Plötzlich erschien es ihm überaus wichtig – sogar unumgänglich -, daß er anhielt.
Er lenkte den Wagen an die Bordsteinkante und wollte aussteigen; doch dann fiel ihm ein, daß er die Pfeife noch zwischen den Zähnen hielt. Er nahm sie (mit einem Anflug leisen Bedauerns) aus dem Mund und schloß sie wieder ins Handschuhfach ein. Diesmal gelangte er bis auf den Gehsteig, bevor er umkehrte, um alle vier Türen des Plymoth abzuschließen. Wenn man eine so herrliche Pfeife besaß, ging man keinerlei Risiko ein. Jedermann konnte versucht sein, eine so prachtvolle Pfeife zu stehlen.
Er näherte sich dem Laden und blieb dann enttäuscht stehen. An der Tür hing ein Schild.
KOLUMBUS-TAG GESCHLOSSEN
stand darauf.
Everett wollte schon kehrtmachen, als die Tür geöffnet wurde. Mr. Gaunt stand da, in einem rehbraunen Jackett mit Lederflecken auf den Ellenbogen und einer anthrazitfarbenen Hose.
»Treten Sie ein, Mr. Frankel«, sagte er. »Ich freue mich, daß Sie vorbeikommen konnten.«
»Nun, ich bin unterwegs zu einer Patientin, und da dachte ich, ich halte kurz an und sage Ihnen noch einmal, wie sehr mir meine Pfeife gefällt. So eine habe ich mir schon immer gewünscht.«
Strahlend sagte Mr. Gaunt. »Ich weiß.«
»Aber wie ich sehe, haben Sie geschlossen, also will ich Sie nicht weiter aufhalten...«
»Für meine Vorzugskunden habe ich nie geschlossen, Mr. Frankel, und zu denen zähle ich Sie. Treten Sie ein.« Und er streckte die Hand aus.
Everett wich vor ihr zurück. Daraufhin lachte Leland Gaunt fröhlich und trat beiseite, um den jungen Assistenten vorbeizulassen.
»Ich kann mich wirklich nicht aufhalten... setzte Everett an, aber er spürte, wie seine Füße ihn vorwärts trugen in die Düsternis des Ladens, als wüßten sie es besser.
»Natürlich nicht«, sagte Mr. Gaunt. »Der Heiler muß die vorgeschriebene Runde machen, die Ketten der Beschwernisse lösen, die den Körper binden, und...« Ein Lächeln, das im Grunde nur aus gehobenen Brauen und zusammengebissenen, unregelmäßigen Zähnen bestand, erschien auf seinem Gesicht. »... und jene Teufel austreiben, die den Geist fesseln. Habe ich recht?«
»Ich nehme es an«, sagte Everett. Er spürte ein gewisses Unbehagen, als Mr. Gaunt die Tür schloß. Er hoffte, daß mit seiner Pfeife alles in Ordnung war. Es gab Leute, die Autos aufbrachen. Manchmal taten sie es sogar am hellichten Tage.
»Ihrer Pfeife wird nichts passieren«, beruhigte ihn Mr. Gaunt. Aus seiner
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