In einer kleinen Stad
getan. Bitte, halten Sie mich nicht für naiv, Mr. Keeton. Ich hatte schon früher mit IHNEN zu tun. Oft genug.«
»Daran zweifle ich nicht«, sagte Keeton. Er stellte fest, daß die große Freude, die ihm das Winning Ticket bereitet hatte, wenig oder nichts war im Vergleich zu dieser Begegnung mit einer verwandten Seele nach einer Zeit der Dunkelheit und des Kampfes, die ihm so lang vorkam wie ein Jahrhundert. »Aber...«
»An meinem Apparat ist ein kleines elektronisches Gerät angebracht«, fuhr Mr. Gaunt mit seiner gelassenen, sanften Stimme fort. »Wenn die Leitung angezapft ist, leuchtet ein kleines Licht auf. Ich schaue jetzt auf dieses Licht, und es ist dunkel. So dunkel wie manche Herzen in dieser Stadt.«
» Sie wissen Bescheid, nicht wahr?« sagte Danforth Keeton mit inbrünstiger, zitternder Stimme. Ihm war, als müßte er gleich in Tränen ausbrechen.
»Ja. Und ich habe Sie angerufen, um Ihnen zu sagen, daß Sie nichts Voreiliges tun sollen, Mr. Keeton.« Seine Stimme war sanft, einlullend. Während er ihr lauschte, hatte Keeton das Gefühl, als begänne sein Verstand davonzuschweben wie ein mit Helium gefüllter Luftballon. »Das würde IHNEN die Dinge viel zu einfach machen. Ist Ihnen klar, was passieren würde, wenn Sie sterben sollten?«
»Nein«, murmelte Keeton. Er schaute aus dem Fenster. Seine Augen waren leer und verträumt.
»SIE würden ein Fest feiern!« sagte Mr. Gaunt leise. »SIE würden sich in Sheriff Pangborns Büro vollaufen lassen! SIE würden hinausgehen auf den Homeland-Friedhof und auf Ihr Grab pissen!«
»Sheriff Pangborn?« sagte Keeton unsicher.
»Sie glauben doch nicht etwa, eine Null wie Norris Ridgewick dürfte in einem solchen Fall ohne ausdrückliche Anweisung seines Vorgesetzten handeln, oder?«
»Nein, natürlich nicht.« Jetzt begann er klarer zu sehen. SIE. Immer waren SIE es gewesen, eine quälende schwarze Wolke, die ihn umgab, und wenn man nach der Wolke griff, hatte man nichts in der Hand. Jetzt endlich begann er zu begreifen, daß SIE Gesichter und Namen hatten. SIE mochten sogar verletzlich sein. Dies zu wissen, war eine ungeheure Erleichterung.
»Pangborn, Fullerton, Samuels, die Williams, Ihre eigene Frau. Sie gehören alle dazu, aber ich vermute – ich bin sogar ziemlich sicher -, daß Sheriff Pangborn der Rädelsführer ist. Sollte das der Fall sein, so wäre er überglücklich, wenn Sie einen oder zwei seiner Handlanger töten und sich dann selbst aus dem Wege räumen würden. Ich nehme sogar an, daß er es von Anfang an darauf angelegt hat. Aber Sie werden ihm einen Strich durch die Rechnung machen, Mr. Keeton, nicht wahr?«
» Ja !« flüsterte Keeton inbrünstig. »Was soll ich tun?«
»Heute überhaupt nichts. Gehen Sie wie üblich Ihren Geschäften nach. Fahren Sie heute abend zum Rennen, wenn Sie Lust haben, und freuen Sie sich über Ihre Neuerwerbung. Wenn Sie den Eindruck machen, als wären Sie so wie immer, dann werden SIE aus der Fassung geraten. Das wird beim Feind Verwirrung und Unsicherheit verbreiten.«
»Verwirrung und Unsicherheit«, murmelte Keeton. Er fand, das waren die schönsten Worte, die er je gehört hatte.
»Ja. Ich habe eigene Pläne, und wenn die Zeit gekommen ist, lasse ich es Sie wissen.«
»Versprechen Sie es?«
»Das tue ich, Mr. Keeton. Sie sind überaus wichtig für mich. Ich würde sogar so weit gehen, zu erklären, daß ich auf Sie angewiesen bin.«
Mr. Gaunt legte den Hörer auf. Keeton packte seinen Revolver und das Putzzeug weg. Dann ging er nach oben, warf seine schmutzigen Sachen in den Wäschekorb, duschte und zog sich an. Als er wieder herunterkam, wich Myrtle zuerst vor ihm zurück, aber Keeton sprach freundlich mit ihr und küßte sie auf die Wange. Myrtle begann sich zu entspannen. Worin die Krise auch bestanden haben mochte – sie schien vorüber zu sein.
3
Everett Frankel war ein großer, rothaariger Mann, der so irisch aussah wie die Grafschaft Cork – was nicht eben verwunderlich war, denn aus Cork stammten die Vorfahren seiner Mutter. Er war Ray Van Allens Assistent, seit er vor vier Jahren aus der Navy ausgeschieden war. An diesem Montagmorgen traf er um Viertel vor acht in der Praxis ein, und Nancy Ramage, die Oberschwester, fragte ihn, ob er gleich zur Farm der Burgmeyers hinausfahren könnte. Helen Burgmeyer hatte in der Nacht einen Anfall erlitten, der epileptischen Ursprungs gewesen sein könnte, sagte sie. Wenn Everetts Diagnose das bestätigte, sollte er sie in seinem Wagen
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