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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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jeden Tages war ein Blick auf den Kalender. Der November schien auf ihn zuzujagen.
    Dann, an diesem Morgen, war er vor Tagesanbruch aufgewacht, weil in seinem Gehirn ein Gedanke aufgeflammt war wie ein seltsames blaues Licht: er mußte nach Hause. Er mußte zurückkehren nach Castle Rock. Das war der Ort, an dem die Antwort lag. Nach Hause zurückzukehren, fühlte sich richtig an – aber selbst wenn sich herausstellen sollte, daß es falsch war, würde der Ortswechsel vielleicht diese merkwürdige Sperre in seinem Kopf lösen.
    In Mechanic Falls war er einfach John Merrill, ein entlassener Sträfling, der in einer Bruchbude mit Plastikfolie in den Fensteröffnungen und Pappe auf der Tür lebte. In Castle Rock war er immer Ace Merrill gewesen, das Ungeheuer, das durch die Alpträume einer ganzen Generation von Kindern gestapft war. In Mechanic Falls war er ein armer Mann, Abschaum der Hintergassen, ein Kerl, der zwar einen frisierten Dodge besaß, aber keine Garage, in den er ihn einstellen konnte. In Castle Rock war er, zumindest für kurze Zeit, so etwas wie ein König gewesen.
    Also war er zurückgekommen, und jetzt war er hier, und was nun?
    Ace wußte es nicht. Die Stadt sah kleiner, schmutziger und leerer aus, als er sie in Erinnerung hatte. Er nahm an, daß Pangborn irgendwo in der Nähe war; und bald würde der alte Bill Fullerton ans Telefon gehen und ihm brühwarm berichten, wer wieder in der Stadt war. Dann würde Pangborn ihn finden und fragen, was er hier wollte. Er würde fragen, ob Ace einen Job hätte. Er hatte keinen, und er konnte nicht einmal behaupten, er wäre gekommen, um seinen Onkel zu besuchen, denn Pop war in seinem Trödelladen gewesen, als die Bude abbrannte. Also gut, Ace, würde Sheriff Pangborn sagen, weshalb steigst du dann nicht schleunigst wieder in deinen Straßenkreuzer ein und kratzt die Kurve?
    Und was sollte er darauf erwidern?
    Ace wußte es nicht – er wußte nur, daß das dunkelblaue Licht, das ihn geweckt hatte, noch immer nicht erloschen war.
    Er sah, daß die Stelle, an der das Emporium Galorium gestanden hatte, noch immer leer war. Nichts war dort außer Unkraut, ein paar angekohlten Bretterstücken und einer Ansammlung von Müll. Glassplitter spiegelten mit einem Gleißen, das einem die Augen tränen ließ. Hier gab es nichts, was das Anschauen gelohnt hätte, aber Ace wollte es sich trotzdem anschauen. Er begann, die Straße zu überqueren. Er war fast auf der anderen Seite angelangt, als sein Blick auf eine grüne Markise fiel.
    NEEDFUL THINGS stand an der Vorderkante der Markise. Was für ein Laden konnte das sein? Ace ging die Straße hinauf, um ihn sich anzusehen. Die leere Stelle, an der die Touristenfalle seines Onkels gestanden hatte, konnte er sich auch später noch ansehen; schließlich war nicht damit zu rechnen, daß jemand sie beiseiteschaffte.
    Das erste, worauf sein Blick fiel, war das Schild mit der Aufschrift
    GEHILFE GESUCHT.
    Er schenkte ihm keinerlei Aufmerksamkeit. Er wußte nicht, weshalb er nach Castle Rock zurückgekommen war, aber bestimmt nicht wegen eines Jobs als Ladengehilfe.
    Im Schaufenster lag eine Reihe ziemlich teuer aussehender Gegenstände & Sachen, die er hätte mitgehen lassen, wenn er im Hause irgendeines reichen Kerls ein wenig Nachtarbeit verrichtete. Ein Schachspiel mit Elfenbeinfiguren in Gestalt von Dschungeltieren. Eine Kette aus schwarzen Perlen – sie machte einen kostbaren Eindruck, aber vermutlich handelte es sich nur um künstliche Perlen. Eine Kette aus echten schwarzen Perlen konnte sich in diesem kleinen Drecksnest bestimmt niemand leisten. Trotzdem, ein schönes Stück, dachte er; auf ihn machten sie einen echten Eindruck. Und...
    Ace betrachtete das Buch hinter den Perlen mit plötzlich verengten Augen. Es war so aufgestellt, daß jemand, der ins Schaufenster schaute, die Vorderseite des Schutzumschlags sehen konnte. Er zeigte die Silhouetten von zwei Männern, die in der Nacht auf einer Anhöhe standen. Einer hatte eine Hacke, der andere eine Schaufel. Sie schienen ein Loch zu graben. Der Titel des Buches war Lost and Buried Treasures of New England. Der Name des Verfassers stand in kleinen weißen Buchstaben unter dem Bild.
    Er lautete Reginald Merrill.
    Ace ging zur Tür und probierte den Knauf. Er ließ sich leicht drehen. Das Glöckchen über der Tür bimmelte. Ace Merrill betrat Needful Things.

10
     
    »Nein«, sagte Ace nach einem Blick auf das Buch, das Mr. Gaunt aus dem Schaufenster geholt und ihm

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