Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
überrascht. Setzen Sie sich. Wir reden darüber.«
    Sie setzte sich.
    Er kam auf sie zu.
    Seine Augen fingen die ihren ein.
    In ihrem Kopf setzte wieder die Melodie ein.
    Und sie war verloren.

4
     
    »Jetzt erinnere ich mich«, erklärte Jillian Mislaburski Alan. »Es war der Rusk-Junge. Ich glaube, er heißt Billy. Oder Bruce.«
    Sie standen in ihrem Wohnzimmer, das beherrscht wurde von dem Sony-Fernseher und einem riesigen gekreuzigten Jesus aus Gips, der an der Wand darüber hing. Oprah war auf dem Bildschirm. Der Art nach zu urteilen, auf die Jesus unter seiner Dornenkrone die Augen verdrehte, glaubte Alan, daß ihm Geraldo vielleicht besser gefallen hätte. Oder Divorce Court . Mrs. Mislaburski hatte Alan eine Tasse Kaffee angeboten, die er abgelehnt hatte.
    »Brian«, sagte er.
    »Richtig!« sagte sie. »Brian!«
    Sie trug ihren grellgrünen Morgenrock, hatte aber auf ihr rotes Kopftuch verzichtet. Lockenwickler von der Größe der Pappzylinder, die man in der Mitte von Toilettenpapierrollen findet, umgaben ihren Kopf wie eine bizarre Korona.
    »Sind Sie sicher, Mrs. Mislaburski?«
    »Ja. Es ist mir heute morgen wieder eingefallen, als ich aufstand. Sein Vater hat vor zwei Jahren die Aluminiumverkleidung an unserem Haus angebracht. Der Junge kam herüber und hat eine Zeitlang mitgeholfen. Ich hatte den Eindruck, daß er ein netter Junge ist.«
    »Haben Sie eine Idee, was er dort getan haben könnte?«
    »Er sagte, er hätte fragen wollen, ob sie schon jemand hätten, der im Winter bei ihnen Schnee schippt. Ja, das war es. Er sagte, er wollte später wiederkommen, wenn sie sich nicht stritten. Der arme Junge sah aus, als wäre er zu Tode verängstigt, und ich kann es ihm nicht verdenken.« Sie schüttelte den Kopf. Die großen Lockenwickler hüpften ein wenig. »Es tut mit leid, daß sie so sterben mußte...« Mrs. Mislaburski senkte vertraulich die Stimme. »Aber ich freue mich für Pete. Niemand weiß, was er auszustehen hatte, mit dieser Frau verheiratet. Niemand.« Sie schaute vielsagend zu Jesus an der Wand, dann richtete sie den Blick wieder auf Alan.
    »Ja«, sagte Alan. »Ist Ihnen sonst etwas aufgefallen, Mrs. Mislaburski? Irgend etwas an dem Haus oder an den Geräuschen oder dem Jungen?«
    Sie legte einen Finger an die Nase und neigte den Kopf. »Nein, eigentlich nicht. Der Junge – Brian Rusk – hatte eine Kühltasche in seinem Gepäckkorb. Daran erinnere ich mich, aber ich nehme an, das ist nicht die Art von Dingen, die Sie interessieren, und...«
    »Moment«, sagte Alan und hob eine Hand. »Eine Kühltasche?«
    »Ja, eine von der Art, wie man sie zu Picknicks oder Parties im Freien mitnimmt. Ich erinnere mich nur daran, weil sie für seinen Gepäckkorb viel zu groß war. Sie stand schräg darin, und es sah aus, als könnte sie jeden Moment herausfallen.«
    »Danke, Mrs. Mislaburski«, sagte Alan langsam. »Vielen Dank.«
    »Hat das etwas zu bedeuten? Ist es ein Hinweis?«
    »Ich glaube nicht.« Aber da war er nicht sicher.
    Die Vorstellung von Vandalismus würde mir wesentlich besser gefallen, wenn der junge sechzehn oder siebzehn Jahre alt gewesen wäre, hatte Henry Payton gesagt. Alan war der gleichen Ansicht gewesen – aber er hatte schon mit zwölfjährigen Vandalen zu tun gehabt, und er nahm an, daß man in so einer Kühltasche eine ganze Menge Steine unterbringen konnte.
    Plötzlich war er erheblich gespannter auf die Unterhaltung, die er am Nachmittag mit Brian Rusk zu führen gedachte.

5
     
    Das silberne Glöckchen bimmelte. Sonny Jackett betrat Needful Things, langsam und argwöhnisch, und knetete seine ölverschmierte Sunoco-Mütze in den Händen. Er benahm sich wie ein Mann, der felsenfest davon überzeugt ist, daß er bald viele teure Dinge zerbrechen wird, so sehr er sich auch bemüht, es nicht zu tun; das Zerbrechen von Dingen, stand in seinem Gesicht geschrieben, war nicht sein Wunsch, sondern sein Schicksal.
    »Mr. Jackett!« rief Leland Gaunt sein übliches Willkommen mit dem üblichen Nachdruck und machte ein weiteres Häkchen auf dem Blatt neben der Registrierkasse. »Ich freue mich wirklich, daß Sie vorbeikommen konnten!«
    Sonny tat drei Schritte in den Laden hinein; dann blieb er stehen und ließ den Blick mißtrauisch von den Vitrinen zu Mr. Gaunt wandern.
    »Also«, sagte er, »ich bin nicht hier, um etwas zu kaufen. Das muß ich Ihnen gleich sagen. Der alte Harry Samuels hat gesagt, ich sollte heute morgen bei Ihnen hereinschauen, wenn ich es einrichten kann. Sagte,

Weitere Kostenlose Bücher