In einer kleinen Stad
zu Diensten. Bis später, Leute.«
Alan verdrehte abermals die Augen. Ihm war wieder nach Lachen zumute, aber er beherrschte sich. Johns unglückliche Miene ließ deutlich erkennen, daß er das ganz und gar nicht lustig fand. Alan hatte selbst schon ein- oder zweimal seine Brieftasche verloren, und er wußte, was für ein lausiges Gefühl das war. Der Verlust des darin befindlichen Geldes und die mit der Meldung des Abhandenkommens der Kreditkarten verbundenen Laufereien waren nur ein Teil davon, und nicht unbedingt der schlimmste. Man mußte immer wieder an Dinge denken, die man dort aufbewahrt hatte, Dinge, die jemand anders vielleicht für Müll halten mochte, die für einen selbst aber unersetzbar waren.
John war in die Hocke gegangen, sammelte Papiere auf, sortierte und stapelte sie und sah verzweifelt aus. Alan half ihm.
»Haben Sie sich wirklich die Zehen verletzt, Alan?«
»Nein. Sie kennen diese Schuhe – es ist, als trüge man Kleinlaster an den Füßen. Wieviel Geld war in der Brieftasche, John?«
»Ich glaube, nicht mehr als zwanzig Dollar. Aber ich habe vorige Woche meinen Jagdschein bekommen, und der steckte auch darin. Und meine MasterCard. Wenn ich die verdammte Brieftasche nicht finde, muß ich die Bank anrufen und sie bitten, die Nummer zu sperren. Aber woran mir am meisten liegt, das sind die Fotos von Mom und Dad und meinen Schwestern. Sie wissen schon, Dinge dieser Art.«
Aber es waren nicht die Fotos von seinen Eltern oder seinen Schwestern, an denen John wirklich lag; das wirklich wichtige Foto war das von ihm und Sally Ratcliffe. Clut hatte es bei der Fryeburg State Fair aufgenommen, ungefähr drei Monate, bevor Sally mit John gebrochen und sich für diesen Hohlkopf Lester Pratt entschieden hatte.
»Nun«, sagte Alan, »sie wird wieder auftauchen. Wahrscheinlich ohne Geld und Plastik, aber die Brieftasche und die Fotos bekommen Sie vermutlich zurück. So ist es meistens. Das wissen Sie.«
»Ja«, sagte John mit einem Seufzer. »Es ist nur – verdammt, ich versuche die ganze Zeit, mich zu erinnern, ob ich sie heute morgen noch hatte, als ich zur Arbeit kam. Ich kann es einfach nicht.«
»Nun, ich hoffe, Sie finden sie noch. Hängen Sie eine Verlustanzeige ans Schwarze Brett.«
»Gute Idee. Und jetzt werde ich den Rest von diesem Chaos hier aufräumen.«
»Ich weiß, daß Sie das tun werden. Nehmen Sie’s nicht zu tragisch.«
Alan ging kopfschüttelnd hinaus auf den Parkplatz.
3
Das silberne Glöckchen über der Tür von Needful Things bimmelte, und Babs Miller, angesehenes Mitglied des Ash Street Bridge Club, trat ein wenig schüchtern ein.
»Mrs. Miller!« hieß Mr. Gaunt sie willkommen und konsultierte das Blatt Papier, das neben seiner Registrierkasse lag. Er machte ein kleines Häkchen darauf. »Wie schön, daß Sie kommen konnten! Und pünktlich auf die Minute. Es war die Spieldose, für die Sie sich interessierten, nicht wahr? Ein prächtiges Stück Arbeit.«
»Ich wollte mit Ihnen darüber reden, ja«, sagte Babs. »Ich nehme an, sie ist verkauft.« Es fiel ihr schwer, sich vorzustellen, daß etwas so Herrliches nicht verkauft sein sollte. Dennoch spürte sie, wie ihr bei diesem Gedanken ein wenig das Herz brach. Die Melodie, die sie spielte, diejenige, von der Mr. Gaunt behauptete, er könne sich nicht an sie erinnern – sie glaubte zu wissen, um welche es sich handeln mußte. Sie hatte einst im Pavillon von Old Orchard Beach mit dem Kapitän der Football-Mannschaft zu dieser Melodie getanzt, und später am selben Abend hatte sie unter einem prachtvollen Maimond bereitwillig ihre Jungfräulichkeit geopfert. Er hatte ihr den ersten und letzten Orgasmus ihres Lebens beschert, und die Melodie hatte sich durch ihren Kopf gewunden wie ein glühender Draht.
»Nein, sie ist noch da«, sagte Mr. Gaunt. Er holte sie aus der Vitrine, in der sie hinter der Polaroidkamera versteckt gelegen hatte, und stellte sie darauf. Bei ihrem Anblick hellte sich Babs Millers Gesicht auf.
»Ich bin sicher, sie kostet mehr, als ich mir leisten kann«, sagte Babs, »jedenfalls auf einmal, aber sie gefällt mir wirklich ausnehmend gut, Mr. Gaunt, und wenn die Möglichkeit besteht, daß ich sie in Raten bezahle – die geringste Möglichkeit...«
Mr. Gaunt lächelte. Es war ein charmantes, beruhigendes Lächeln. »Ich glaube, Sie machen sich unnötige Sorgen«, sagte er. »Sie werden überrascht sein, wie erschwinglich der Preis für diese wunderschöne Spieldose ist, Mrs. Miller. Sehr
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