Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Badezimmers mit Rasiercreme im Gesicht. Seine Stimme klang bestürzt. »Lenore, was geht da vor?«
    »Ich habe einen Eindringling erschossen«, sagte Lenore gelassen, ohne sich umzudrehen. Sie schob einen Fuß unter das schwere Gewicht des Leichnams und hob ihn an. Zu spüren, wie sich ihre Zehen in die Seite des Bonsaint-Weibsstückes bohrten, bereitete ihr plötzlich ein niederträchtiges Vergnügen. »Es ist Stephanie Bon...«
    Die Leiche rollte herum. Es war nicht Stephanie Bonsaint. Es war die Frau dieses netten Deputy Sheriffs.
    Sie hatte Melissa Clutterbuck erschossen.
    Ganz plötzlich ging Lenore Potters calava über Blau, über Purpur, über Magenta hinaus. Sie färbte sich mitternachtsschwarz.

8
     
    Alan Pangborn saß da und betrachtete seine Hände, schaute an ihnen vorbei in eine Dunkelheit, die so schwarz war, daß man sie nur fühlen konnte. Ihm war bewußt geworden, daß er Polly an diesem Nachmittag vielleicht verloren hatte, nicht nur für eine kurze Weile – bis dieses Mißverständnis bereinigt war -, sondern für immer. Und das bedeutete, daß er ungefähr fünfunddreißig Jahre totschlagen mußte.
    Er hörte ein leises, schlurfendes Geräusch und sah rasch auf. Es war Miss Hendrie. Sie wirkte nervös, aber sie sah auch so aus, als wäre sie zu einem Entschluß gelangt.
    »Der kleine Rusk regt sich«, sagte sie. »Er ist nicht wach – sie haben ihm ein Beruhigungsmittel gegeben, und richtig wach wird er noch eine ganze Weile nicht sein -, aber er regt sich.«
    »Wirklich?« fragte Alan leise und wartete.
    Miss Hendrie biß sich auf die Lippe, dann fuhr sie fort. »Ja. Ich würde Sie zu ihm hineinlassen, wenn ich könnte, Sheriff Pangborn, aber ich kann es wirklich nicht. Das verstehen Sie doch, nicht wahr? Ich meine, ich weiß, daß Sie Probleme haben in Ihrer Stadt, aber dieser kleine Junge ist schließlich erst sieben Jahre alt.«
    »Ja.«
    »Ich gehe auf eine Tasse Tee hinunter in die Cafeteria. Mrs. Evans hat sich verspätet – das tut sie immer -, aber sie müßte in ein oder zwei Minuten kommen. Wenn Sie in Sean Rusks Zimmer gingen – Zimmer Neun -, gleich nachdem ich gegangen bin, dann würde sie wahrscheinlich gar nicht erfahren, daß Sie überhaupt hier gewesen sind. Verstehen Sie?«
    »Ja«, sagte Alan dankbar.
    »Ihre Runde macht sie erst gegen acht. Wenn Sie also in seinem Zimmer wären, würde sie Sie vermutlich nicht bemerken. Wenn das doch geschehen sollte, müßte ich ihr natürlich sagen, daß ich mich an die Hospitalvorschriften gehalten und Ihnen den Zutritt verweigert habe. Daß Sie sich hineingeschlichen haben, während ich gerade anderweitig beschäftigt war. Hätten Sie das nicht getan?«
    »Ja«, sagte Alan. »Das hätte ich bestimmt getan.«
    »Wenn Sie gehen, könnten Sie die Treppe am anderen Ende des Flurs benutzen. Das heißt, wenn Sie in Sean Rusks Zimmer gehen sollten. Was ich Ihnen natürlich verboten habe.«
    Alan stand auf und küßte ihr impulsiv auf die Wange.
    Miss Hendrie errötete.
    »Danke«, sagte Alan.
    »Wofür? Ich habe überhaupt nichts getan. Ich gehe jetzt nach unten und trinke meinen Tee. Bitte bleiben Sie hier sitzen, bis ich fort bin, Sheriff.«
    Alan setzte sich gehorsam wieder hin. Er saß da mit dem Kopf zwischen Simple Simon und dem Kuchenmann, bis die Doppeltür hinter Miss Hendrie zugeschwungen war. Dann stand er auf und ging leise den bunt gestrichenen und mit Spielsachen übersäten Korridor entlang zu Zimmer Neun.

9
     
    Sean Rusk machte auf Alan einen völlig wachen Eindruck.
    Dies war die Kinderstation, und das Bett, in dem er lag, war klein. Dennoch wirkte er verloren darin. Sein Körper zeichnete sich nur als kleiner Buckel unter der Decke ab, so daß es den Anschein hatte, als ruhte ein körperloser Kopf auf einem sauberen weißen Kissen. Sein Gesicht war sehr blaß. Unter seinen Augen, die Alan ohne jede Überraschung musterten, lagen purpurne Schatten, fast so dunkel wie Quetschungen. In der Mitte seiner Stirn lag eine dunkle Haarsträhne wie ein Komma.
    Alan holte sich den beim Fenster stehenden Stuhl und stellte ihn neben das Bett, an dem ein Gitter angebracht worden war, damit Sean nicht herausfallen konnte. Sean drehte den Kopf nicht, aber seine Augen bewegten sich und folgten ihm.
    »Hallo, Sean«, sagte Alan ruhig. »Wie geht es dir?«
    »Mein Hals ist trocken«, flüsterte Sean heiser.
    Auf dem Tisch neben dem Bett standen ein Krug mit Wasser und zwei Gläser. Alan füllte eines der Gläser mit Wasser und beugte sich

Weitere Kostenlose Bücher