In einer kleinen Stad
sagte Sean. Seine Stimme klang merkwürdig sachlich, aber jetzt erschien in jedem seiner Augen eine Träne, wuchs und rann über seine glatten Wagen herab. »Jetzt können wir Young Guns II nicht zusammen sehen, wenn die Kassette zu haben ist. Ich muß den Film allein ansehen, und das macht keinen Spaß ohne Brian und seine dummen Witze. Ich weiß, daß es keinen Spaß machen wird.«
»Du hast deinen Bruder gern gehabt, nicht wahr?« sagte Alan heiser. Er griff durch das Bettgitter. Sean Rusks Hand kroch in die seine und schloß sich dann zur Faust. Sie war heiß. Und klein. Sehr klein.
»Ja. Brian wollte Werfer bei den Red Sox werden, wenn er groß war. Er hat gesagt, er wollte lernen, den Ball auf die ganz besondere Art von Mike Boddiker zu werfen. Jetzt wird er das nicht mehr tun. Er hat gesagt, ich sollte nicht näher herankommen, sonst würde ich etwas von dem Schweinkram abbekommen. Ich habe geweint. Ich hatte Angst. Es war nicht wie in einem Film. Es war nur unsere Garage.«
»Ich weiß«, sagte Alan. Er erinnerte sich an Annies Wagen. Die zertrümmerten Fenster. Das Blut auf den Sitzen in großen, schwarzen Lachen. Auch das war nicht wie in einem Film gewesen. Alan begann zu weinen. »Ich weiß, mein Junge.«
»Er hat gesagt, ich müßte es ihm versprechen, und das habe ich getan, und ich werde es halten. Ich werde das Versprechen halten, solange ich lebe.«
»Was hast du ihm versprochen, mein Junge?«
Alan wischte sich mit der freien Hand das Gesicht ab, aber die Tränen wollten nicht aufhören. Der Junge lag vor ihm, mit einem Gesicht, das fast so weiß war wie der Kissenbezug, auf dem sein Kopf ruhte; der Junge, der gesehen hatte, wie sein Bruder Selbstmord beging, gesehen hatte, wie Hirnmasse an die Garagenwand gespritzt war wie frischer Rotz, und wo war seine Mutter? Zu Besuch bei The King, hatte er gesagt. Sie macht die Tür zu und setzt ihre Sonnenbrille auf und besucht The King.
»Was hast du ihm versprochen, mein Junge?«
»Ich wollte auf Mommys Namen schwören, aber das hat Brian nicht gewollt. Er hat gesagt, ich müßte auf meinen eigenen Namen schwören. Weil er sie auch gekriegt hat. Brian hat gesagt, er kriegt jeden, der auf den Namen von jemand anderem schwört. Also habe ich auf meinen eigenen Namen geschworen, wie er es wollte, aber Brian hat das Gewehr trotzdem losgehen lassen.« Sean weinte jetzt heftiger, aber er schaute durch seine Tränen hindurch Alan ernst an. »Es war nicht nur Blut, Mr. Sheriff. Es war noch anderes Zeug. Gelbes Zeug.«
Alan drückte seine Hand. »Ich weiß, Sean. Was solltest du deinem Bruder versprechen?«
»Vielleicht kommt Brian nicht in den Himmel, wenn ich es sage.«
»Doch, er kommt hinein. Das verspreche ich. Und ich bin ein Sheriff.«
»Halten Sheriffs immer ihre Versprechen?»
»Sie halten sie immer, wenn sie sie kleinen Jungen im Krankenhaus gegeben haben«, sagte Alan. »Sheriffs müssen ihre Versprechen halten, wenn sie sie solchen kleinen Jungen gegeben haben.«
»Kommen sie sonst in die Hölle?«
»Ja«, sagte Alan. »So ist es. Wenn sie ihr Versprechen nicht halten, kommen sie in die Hölle.«
»Schwören Sie, daß Brian in den Himmel kommt, auch wenn ich es Ihnen sage? Schwören Sie auf Ihren eigenen Namen?«
»Auf meinen eigenen Namen.«
»Okay«, sagte Sean. »Ich mußte ihm versprechen, daß ich nie in den neuen Laden gehen würde, in dem er die ganz besondere Baseballkarte gekauft hat. Er dachte, Sandy Koufax wäre auf der Karte, aber der war es nicht. Es war irgendein anderer Spieler. Sie war alt und schmutzig, aber ich glaube, das hat Brian nicht gewußt.« Sean schwieg einen Moment, dann fuhr er mit seiner beängstigend ruhigen Stimme fort: »Einmal ist er mit Schlamm an den Händen heimgekommen. Er hat den Schlamm abgewaschen, und später habe ich gehört, wie er in seinem Zimmer geweint hat.«
Die Laken, dachte Alan. Wilmas Laken. Es war Brian gewesen.
»Brian hat gesagt, Needful Things ist ein Giftladen, und er ist ein Giftmann, und ich sollte nie dort hineingehen.«
»Das hat Brian gesagt? Er hat Needful Things gesagt?«
»Ja.«
»Sean...« Er brach ab, dachte nach. Elektrische Funken sprühten durch seinen ganzen Körper, schossen kreuz und quer wie winzige blaue Splitter.
»Was?«
»Hat – hat deine Mutter ihre Sonnenbrille bei Needful Things gekauft?«
»Ja.«
»Hat sie dir das gesagt?«
»Nein. Aber ich weiß, daß sie es getan hat. Sie setzt die Sonnenbrille auf, und dann besucht sie The King.«
»Welchen
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