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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ihm gesagt, – warte... Was hast du zu ihm gesagt?
    »Daß der Narr und sein Geld nicht lange zusammenbleiben«, sagte Alan dumpf. Er drehte die Dose in den Händen, betrachtete sie, erinnerte sich an Todds Gesicht. »Das ist es, was ich zu ihm gesagt habe.«
    Ach ja, richtig, pflichtete die Stimme bei. Wie konnte ich das vergessen? Und du redest von Niedertracht? Na, weißt du! Nur gut, daß du mich daran erinnert hast. Nur gut, daß du uns BEIDE daran erinnert hast, stimmt’s? Aber Annie hat den Tag gerettet – sie hat gesagt, du solltest sie ihm gönnen. Sie hat gesagt – warte... Was hat sie gesagt?
    »Sie hat gesagt, es machte ihr irgendwie Spaß, daß Todd genau so wäre wie ich, und daß er nur einmal jung wäre.« Alans Stimme war heiser und bebte. Er hatte wieder angefangen zu weinen, und warum auch nicht? Warum zum Teufel auch nicht? Der alte Schmerz war wieder da und schlang sich um sein wundes Herz wie ein schmutziger Lappen.
    Es tut weh, nicht wahr ? fragte die Stimme der Depression – diese schuldige Stimme des Selbsthasses – mit einem Mitgefühl, von dem Alan argwöhnte, daß es nur vorgetäuscht war. Es tut weh, ungefähr so, als lebte man in einem Countryand-Western-Song über eine gute Liebe, die schlecht geworden ist, oder über gute jungen, die jetzt tot sind. Nichts, das so weh tut, kann gut für dich sein. Leg es wieder ins Handschuhfach, mein Alter. Vergiß es. Nächste Woche, wenn dieser ganze Wahnsinn vorbei ist, kannst du den Kombi mitsamt der falschen Nußdose verkaufen. Warum nicht? Sie ist ein billiger Scherzartikel, der nur einem Kind begehrenswert erscheint – oder einem Mann wie Gaunt. Vergiß es. Vergiß...
    Alan schaltete die Stimme mitten in ihrem Geschwätz aus. Bis zu diesem Augenblick hatte er nicht gewußt, daß er das konnte, und es war ein gutes Wissen, das er jetzt besaß, ein Wissen, das sich in der Zukunft als nützlich erweisen konnte – das heißt, wenn er eine Zukunft hatte . Er betrachtete die Dose genauer, drehte sie von einer Seite zur anderen, betrachtete sie zum erstenmal richtig, sah sie nicht als alberne Erinnerung an seinen verlorenen Sohn, sondern als Gegenstand, der ebenso ein Instrument der Irreführung war wie sein hohler Zauberstab, sein seidener Zylinder mit dem doppelten Boden oder der Trick mit den aufblühenden Blumen, der immer noch unter seinem Uhrarmband steckte. Magie – war das nicht alles, um das es hier ging? Es war eine niederträchtige Magie, zugegeben; Magie, die nicht darauf aus war, Leute zum Staunen und Lachen zu bringen, sondern darauf, sie in wütend vorstürmende Bullen zu verwandeln, aber Magie war es trotzdem. Und was lag aller Magie zugrunde? Irreführung. Es war eine gut einen Meter lange Schlange in der Nußdose – oder, und dabei dachte er an Polly, eine Krankheit, die aussieht wie eine Heilung.
    Er öffnete die Wagentür, und als er in den strömenden Regen hinaustrat, hielt er noch immer die falsche Nußdose in der linken Hand. Jetzt, da er sich ein wenig vor der gefährlichen Verlockung der Gefühlsduselei zurückgezogen hatte, erinnerte er sich an seinen Widerstand gegen den Kauf dieses Dinges mit so etwas wie Verblüffung. Magie hatte ihn zeitlebens fasziniert, und natürlich hätte auch ihn, als er ein Kind war, dieser alte Trick mit einer Schlange in der Dose begeistert. Weshalb also hatte er Todd gegenüber so unfreundliche Worte gebraucht, als der Junge ihn kaufen wollte, und dann so getan, als bemerkte er nicht, wie verletzt der Junge war? War es Eifersucht gewesen auf Todds Jugend und Begeisterung? Die Unfähigkeit, sich an das Wunder einfacher Dinge zu erinnern? Was war es gewesen?
    Er wußte es nicht. Er wußte, daß es genau die Art von Trick war, die Mr. Gaunt verstehen würde, und deshalb wollte er die Dose jetzt bei sich haben.
    Alan beugte sich wieder in den Wagen hinein und holte eine Taschenlampe aus der kleinen Kiste mit allen möglichen Werkzeugen auf dem Rücksitz, dann ging er an Mr. Gaunts Tucker vorbei (noch immer, ohne ihn zu bemerken) und trat unter die dunkelgrüne Markise von Needful Things.

8
     
    So, hier bin ich. Hier bin ich endlich.
    Alans Herz klopfte hart, aber stetig in seiner Brust. In seinem Hirn schienen sich die Gesichter von seinem Sohn, seiner Frau und Sean Rusk vereinigt zu haben. Er las noch einmal das Schild im Fenster, dann probierte er die Tür. Sie war verschlossen. Über seinem Kopf flappte und knallte die Segeltuchmarkise in dem heulenden Sturm.
    Er hatte die

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