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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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wirst das albern finden, aber es ist wahr.«
    Myra fand das keineswegs albern, und sie wußte, daß es wahr war, weil sie in der letzten Nacht gleichfalls kaum ein Auge zugetan hatte. Und es war ein Irrtum von Cora, anzunehmen, sie würde das Foto bekommen, nur weil sie es zuerst gesehen hatte – als verliehe ihr das eine Art göttliches Recht oder dergleichen.
    »Außerdem glaube ich ohnehin nicht, daß sie es zuerst gesehen hat«, sagte Myra mit leiser Schmollstimme. »Ich glaube, ich habe es zuerst gesehen.«
    Aber die Frage, wer dieses wunderbare und einzigartige Foto zuerst gesehen hatte, war im Grunde gleichgültig. Was nicht gleichgültig war, war das, was Myra empfinden würde, wenn sie in Coras Haus kam und das Foto von Elvis über dem Kamin hängen sah, direkt zwischen Coras Elvis aus Keramik und Coras porzellanenem Elvis-Bierseidel. Wenn sie daran dachte, hob sich Myras Magen bis zu einem Punkt unmittelbar unter ihrem Herzen und blieb dort hängen, zusammengeballt wie ein nasser Putzlumpen.
    Es war einfach nicht recht . Cora hatte alle möglichen hübschen Elvis-Dinge; sie hatte Elvis sogar einmal bei einem Konzert gesehen. Das war im Civic Center in Portland gewesen, ungefähr ein Jahr bevor The King in den Himmel abberufen wurde, um sich wieder mit seiner geliebten Mutter zu vereinen.
    »Das Foto muß ich haben«, murmelte sie, nahm ihren ganzen Mut zusammen und klopfte an die Tür.
    Sie wurde geöffnet, noch bevor sie die Hand hatte sinken lassen, und ein schmalschultriger Mann hätte sie auf seinem Weg nach draußen beinahe umgerannt.
    »Entschuldigung«, murmelte er, ohne den Kopf zu heben, und sie hatte kaum Zeit, zu registrieren, daß es sich um Mr. Constantine handelte, den Apotheker in La Verdiere’s Super Drug. Er hastete über die Straße und dann in den Stadtpark, ohne nach rechts oder links zu schauen; in den Händen hielt er ein kleines Päckchen.
    Als sie sich wieder umdrehte, stand Mr. Gaunt an der Tür und lächelte sie mit seinen fröhlichen braunen Augen an.
    »Ich habe keine Verabredung«, sagte sie mit einer schüchternen Stimme. Brian Rusk, der damit aufgewachsen war, Myra zu hören, wie sie sich im Tonfall absoluter Autorität und Selbstsicherheit über irgendwelche Dinge äußerte, hätte diese Stimme niemals wiedererkannt.
    »Jetzt haben Sie eine, teuerste Dame«, sagte Mr. Gaunt lächelnd und trat beiseite. »Abermals willkommen! Treten Sie ein und lassen Sie etwas von dem Glück zurück, das Sie mitbringen!«
    Nach einem letzten, schnellen Rundblick, der ihr bestätigte, daß niemand sie sah, huschte Myra Evans in den Laden.
    Die Tür fiel hinter ihr ins Schloß.
    Eine langfingrige Hand, so weiß wie die Hand eines Leichnams, reckte sich in die Düsternis, fand die herabhängende Zugschnur und zog die Jalousie herunter.

9
     
    Brian war sich nicht bewußt gewesen, daß er den Atem angehalten hatte, bis er ihn mit einem langen, pfeifenden Seufzer ausstieß.
    Niemand war im Hintergarten der Jerzycks.
    Wilma hatte, zweifellos von dem sich bessernden Wetter dazu ermutigt, ihre Wäsche aufgehängt, bevor sie sich dorthin begeben hatte, wo immer sie sich jetzt befand. Die Wäsche flatterte an drei Leinen in der Sonne und der auffrischenden Brise. Brian ging zur Hintertür und schaute hinein, wobei er, um das helle Sonnenlicht abzuschirmen, die Seiten seines Gesichts mit den Händen beschattete. Er blickte in eine verlassene Küche. Er dachte daran, anzuklopfen, und kam dann zu dem Schluß, daß dies nur eine weitere Methode war, aufzuschieben, wozu er hergekommen war. Es war niemand zu Hause. Das beste war, die Arbeit zu tun und dann so schnell wie möglich zu verschwinden.
    Er ging langsam die Stufen hinunter in den Hintergarten der Jerzycks. Die Wäscheleinen mit ihrer Last aus Hemden, Hosen, Unterwäsche, Laken und Kopfkissenbezügen befanden sich an der linken Seite. Rechts gab es ein paar Beete, von denen alles Gemüse mit Ausnahme von ein paar kleinen Kürbissen bereits abgeerntet worden war. Am hinteren Ende stand ein Zaun aus Kiefernbrettern. Auf der anderen Seite des Zauns lag, wie Brian wußte, das Anwesen der Haverhills, nur vier Häuser von dem Haus seiner Eltern entfernt.
    Der heftige Regen in der Nacht zuvor hatte den Garten in einen Morast verwandelt; der größte Teil der noch vorhandenen Kürbisse lag halb untergetaucht in Pfützen. Brian bückte sich, schaufelte mit jeder Hand einen Batzen von dem dunkelbraunen Gartenschlamm auf; Rinnsale von braunem Wasser

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