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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Haus vorfuhr. Die Fahrertür ging auf, und Mr. Leland Gaunt stieg aus. Aber jetzt trug Mr. Gaunt keinen Hausrock mehr wie den, den Sherlock Holmes in einigen der Filme getragen hatte. Der Mr. Gaunt, der jetzt durch die Landschaft von Brians Phantasie auf ihn zukam, trug einen beeindruckenden schwarzen Anzug – den Anzug eines Bestattungsunternehmers -, und sein Gesicht war nicht mehr liebenswürdig. Seine dunkelblauen Augen waren jetzt, da er wütend war, noch dunkler, und die Lippen waren von den schiefen Zähnen zurückgezogen – aber nicht in einem Lächeln. Seine langen, dünnen Beine bewegten sich wie die Schneiden einer Schere den Weg zur Haustür der Rusks hinauf, und der Schattenmann, der ihm auf den Fersen folgte, sah aus wie der Henker in einem Horrorfilm. Wenn er die Tür erreicht hatte, würde er nicht stehenbleiben, um zu läuten, o nein. Er würde einfach hereinplatzen. Wenn Brians Ma versuchen würde, sich ihm in den Weg zu stellen, würde er sie beiseiteschieben. Wenn Brians Pa versuchen würde, sich ihm in den Weg zu stellen, würde er ihn niederschlagen. Und wenn Brians kleiner Bruder Sean versuchen würde, sich ihm in den Weg zu stellen, dann würde er ihn durchs ganze Haus schleudern, wie ein Abwehrspieler, der gerade im Besitz des Balles ist. Er würde die Treppe hinaufmarschieren und Brians Namen brüllen, und die Rosen auf der Tapete würden welken, wenn der Schatten des Henkers über sie hinwegglitt.
    Und er würde mich finden , dachte Brian. Wie er so dastand neben dem Haus der Jerzycks, war sein Gesicht von Entsetzen gezeichnet. Ganz gleich, wo ich mich zu verstecken versuchte. Und wenn ich flüchten würde, bis nach BOMBAY. Er würde mich finden. Und wenn das passiert...
    Er versuchte, das Bild zu verdrängen, es loszuwerden; aber er konnte es nicht. Er sah, wie Mr. Gaunts Augen größer wurden, sich in blaue Abgründe verwandelten, die tiefer und tiefer wurden und bis in eine grauenhafte, indigofarbene Ewigkeit reichten. Er sah, wie sich Mr. Gaunts lange Hände mit ihren merkwürdig gleichlangen Fingern in Klauen verwandelten, die auf seine Schultern herabsanken. Er spürte, wie seine Haut vor Abscheu über die Berührung kribbelte. Er hörte Mr. Gaunt leise flüstern: Du hast etwas von mir, Brian, und du hast noch nicht dafür bezahlt!
    Ich gebe es zurück! hörte er sich selbst in dieses verzerrte, brennende Gesicht hinein sagen. Bitte, o bitte, ich gebe es zurück, ich gebe es zurück, aber tun Sie mir bitte nicht weh!
    Brian fand zu sich selbst zurück, ebenso benommen wie beim Verlassen von Needful Things. Aber jetzt war das Gefühl nicht so angenehm, wie es zu jener Zeit gewesen war.
    Er wollte die Sandy Koufax-Karte nicht zurückgeben, darum ging es.
    Er wollte es nicht, weil sie ihm gehörte.

8
     
    Während der Sohn ihrer besten Freundin schließlich doch in den Hintergarten der Jerzycks ging, trat Myra Evans unter die Markise von Needful Things. Myras Blick, zuerst hinter sich und dann quer über die Main Street, war noch verstohlener, als es Brians Blick über die Willow Street gewesen war.
    Wenn Cora – die wirklich ihre beste Freundin war – wüßte, daß sie hier war, und, was noch wichtiger war, weshalb sie hier war, würde sie wahrscheinlich nie wieder ein Wort mit Myra reden. Schließlich wollte Cora das Foto gleichfalls haben.
    Und wenn schon , dachte Myra. Zwei Redensarten fielen ihr ein, und beide schienen auf diese Situation zuzutreffen. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst , war die eine. Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß , war die andere.
    Trotzdem hatte Myra eine große Foster Grant-Sonnenbrille aufgesetzt, bevor sie sich auf den Weg gemacht hatte. Vors icht ist besser als Nachsicht war eine weitere, beherzigenswerte Redensart.
    Jetzt näherte sie sich langsam der Tür und las, was auf dem dort hängenden Schild stand:
    DIENSTAG UND DONNERSTAG
NUR AUF VERABREDUNG
    Myra hatte keine Verabredung. Sie war aus der Laune des Augenblicks heraus gekommen, angestachelt durch einen Anruf von Cora, der noch keine zwanzig Minuten zurücklag.
    »Ich habe den ganzen Tag darüber nachgedacht! Ich muß es einfach haben, Myra – ich hätte es schon gestern kaufen sollen, aber ich hatte nur vier Dollar bei mir, und ich war nicht sicher, ob er einen Scheck akzeptieren würde. Du weißt, wie peinlich es ist, wenn die Leute einen Scheck ablehnen. Seither habe ich mir selbst einen Tritt nach dem anderen versetzt, und letzte Nacht habe ich kaum ein Auge zugetan. Ich weiß, du

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