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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dagewesen, genau wie sein Wissen um das, was er zu tun hatte.
    Aus dem Haus der Jerzycks kamen keinerlei Geräusche, und die Zufahrt war leer, aber das bedeutete nicht unbedingt, daß alles sicher und okay war. Brian wußte, daß Wilma zumindest zeitweise in Hemphill’s Market an der Route 117 arbeitete, weil er sie gesehen hatte, wie sie dort mit dem unvermeidlichen Tuch um den Kopf an der Kasse saß, aber das bedeutete nicht, daß sie auch jetzt dort war. Der ramponierte kleine Yugo, den sie fuhr, konnte durchaus in der Garage stehen, wo er ihn nicht sehen konnte.
    Brian radelte die Auffahrt hinauf, stieg ab und stellte sein Fahrrad auf den Ständer. Jetzt konnte er das Pochen seines Herzens in den Ohren und in der Kehle spüren. Es hörte sich an wie ein leiser Trommelwirbel. Er ging zur Vordertür, rief sich den Text in Erinnerung, den er aufsagen wollte, wenn sich herausstellen sollte, daß Mrs. Jerzyck doch zu Hause war.
    Hi, Mrs. Jerzyck, ich bin Brian Rusk von der anderen Seite des Blocks. Ich gehe zur Middle School, und demnächst wollen wir Zeitschriften-Abonnements verkaufen, damit wir neue Uniformen für die Band anschaffen können, und ich frage jetzt schon die Leute, ob sie Zeitschriften abonnieren möchten. Damit ich wiederkommen kann, wenn es soweit ist. Wir bekommen Preise, wenn wir viele Abonnements verkaufen.
    Es hatte sich gut angehört, als er sich das ausdachte, und es hörte sich immer noch gut an, aber er war trotzdem nervös. Er stand eine Minute lang auf der Schwelle, lauschte auf Geräusche aus dem Haus – ein Radio, einen Fernseher, der auf eine der Serien eingestellt war (allerdings nicht Santa Barbara; Santa Barbara gab es erst ein paar Stunden später), vielleicht einen Staubsauger. Er hörte nichts, aber das bedeutete nicht mehr als die leere Auffahrt.
    Brian drückte auf die Klingel. Leise, irgendwo drinnen im Haus, hörte er sie: Bing-bong!
    Er stand auf der Vortreppe, wartete, schaute sich gelegentlich um, um festzustellen, ob irgend jemand ihn gesehen hatte, aber die Willow Street schien fest zu schlafen. Und vor dem Haus der Jerzycks wuchs eine Hecke. Das war gut. Wenn man etwas vorhatte
    (eine Tat)
    etwas, das andere Leute – deine Ma und dein Pa beispielsweise – nicht unbedingt gutheißen würden, dann war eine Hecke so ziemlich das Beste auf der Welt.
    Eine halbe Minute war vergangen, und niemand kam zur Tür. So weit, so gut – aber es empfahl sich immer, auf Nummer Sicher zu gehen. Er drückte abermals auf die Klingel, diesmal zweimal kurz hintereinander, so daß jetzt aus dem Innern des Hauses ein Bingbong! bingbong! ertönte.
    Immer noch nichts.
    Also okay. Alles war völlig okay. Alles war in bester Ordnung.
    In bester Ordnung oder nicht; Brian konnte sich nicht enthalten, sich noch einmal umzusehen – ziemlich verstohlen diesmal -, während er sein Fahrrad mit nach wie vor heruntergeklapptem Ständer zwischen dem Haus und der Garage hindurchschob. In diesem Areal, das die freundlichen Leute von der Dick Perry Siding and Door Company in South Paris einen Laufgang nannten, stellte er sein Fahrrad wieder auf den Ständer. Dann ging er weiter in den Hintergarten. Sein Herz klopfte heftiger als je zuvor. Manchmal brach seine Stimme, wenn sein Herz so heftig klopfte. Wenn Mrs. Jerzyck sich im Hintergarten aufhielt, Tulpenzwiebeln pflanzte oder etwas dergleichen, konnte er nur hoffen, daß seine Stimme nicht brach, wenn er seinen Vers über die Zeitschriften-Abonnements aufsagte. Wenn das passierte, würde sie vielleicht argwöhnen, daß er nicht die Wahrheit sagte. Und das könnte Probleme nach sich ziehen, an die er nicht einmal zu denken wagte.
    Er blieb an der Rückseite des Hauses stehen. Er konnte einen Teil des Hintergartens der Jerzycks überblicken, aber nicht alles. Und plötzlich kam ihm das Ganze gar nicht mehr lustig vor. Plötzlich kam es ihm vor wie ein gemeiner Streich – nicht mehr als das, aber bestimmt auch nicht weniger. Eine furchtsame Gedankenstimme meldete sich plötzlich zu Wort: Warum steigst du nicht einfach wieder auf dein Fahrrad, Brian? Fährst nach Hause? Trinkst ein Glas Milch und überlegst dir das noch einmal?
    Ja. Das schien ein sehr guter – ein sehr vernünftiger Gedanke zu sein. Er machte tatsächlich Anstalten, sich umzudrehen – und dann stand ihm ein Bild vor Augen, ein Bild, das wesentlich kraftvoller war als die Stimme. Er sah, wie ein langer, schwarzer Wagen – ein Cadillac, vielleicht auch ein Lincoln Mark IV – vor seinem

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