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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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dachte, wo er doch nur an Allie denken sollte; er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er mit Allie schlief, wo er doch Mia liebte; er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er sie beide begehrte.
    »Wie kommt es, daß es im Film nie so ist?« murmelte Allie, die Lippen an seinen Hals gedrückt.
    Seine Arme schlossen sich fester um ihre Taille. »Wie denn?«
    Er spürte ihr Lächeln. »Als würden sie versuchen, sich gegenseitig umzubringen.«
    Cam mußte daran denken, was er am Morgen in der Küche Allie gegenüber empfunden hatte. Und fragte sich, wie sie dieses Motiv aufgreifen konnte …
    Energisch stieß Audra Campbell die Tür des Gerichtsgebäudes auf und lächelte zuversichtlich auf die wartenden Reporter hinab, die wissen wollten, wie die Vorverhandlung ausgegangen war.
    »Miss Campbell«, rief ein Reporter. »Können Sie uns sagen, was da drin passiert ist?«
    Gekonnt strahlte sie in Richtung der nächsten Fernsehkamera und fragte sich, wie viele Nachrichtensendungen sie am Abend wohl auf Video aufnehmen konnte. »Im Fall ›Staat von Massachusetts gegen James MacDonald‹ haben die Geschworenen entschieden, den Angeklagten vor Gericht zu stellen.«
    Eine Stimme stieg wie eine Spirale aus der Menge auf. »Haben Sie mit dieser Entscheidung gerechnet?«
    »Natürlich«, antwortete Audra. »Schließlich ist er des Mordes angeklagt.« Sie ließ ihren Blick über die vor ihr Versammelten wandern, die an ihren Lippen hingen und ihre Worte wie wild auf ihre winzigen weißen Notizblöcke kritzelten, um sie für die Nachwelt zu bewahren. »Und ich bin sehr zuversichtlich, daß es vor Gericht zu einer Verurteilung kommen wird.« Sie hob die Hand – die Audienz war beendet –, stieg die Treppe hinunter und durchpflügte die Menge der Reporter.
    Wenn sie die Wahl gehabt hätte, hätte sich Allie jederzeit lieber für eine Beerdigung als für eine Hochzeit entschieden. Niemand hatte etwas auszusetzen, wenn sie an Fuß- und Kopfende des Sarges die Blumenarrangements anbrachte, und sie brauchte sich auch keine Sorgen zu machen, mit einer verwelkten Rose oder einem schlaff gewordenen Storchschnabel jemandem den ganzen Tag zu ruinieren. Andererseits heiratete eine Braut nur einmal. Wenn die Stephanotis nicht richtig befestigt war, konnte sie auf dem Weg zum Altar aus dem Strauß purzeln, und das wollte niemand auf seinem Hochzeitsvideo sehen. Außerdem gab es keine zweite Chance, wenn die Blumen nicht rechtzeitig in die Kirche gelangten.
    Cam hatte sie mit ihren Blumenkörben, der Raphia, dem Steckschaum und den Drahtspulen an der Kirche abgesetzt. Die großen Gestecke beiderseits des Altars waren bereits angebracht, doch es mußte immer noch eine Blumengirlande an den für die Familie reservierten Bankreihen befestigt werden. Allie hätte das ebenfalls vorab erledigen können, doch sie hatte die ganze Nacht zum Sonntag damit zugebracht, die Buketts und Anstecksträußchen für das ungewöhnlich personenreiche Ereignis zu fertigen.
    Sie setzte sich in den stillen Mittelgang und verdrahtete einen Mimosenstengel. Das hatte sie schon so oft gemacht, daß sie ihre Gedanken dabei schweifen lassen konnte. Zum tausendsten Mal wünschte sie sich, Mia würde in den nächsten Augenblicken durch die Tür kommen, die Ärmel hochkrempeln und ihr beistehen.
    Die Braut bekam den traditionellen weißen Hochzeitsschmuck, akzentuiert von einigen Herbstlilien in verschiedenen, rosa angehauchten Karmesintönen. Allie hatte sie dazu überredet. Die Hochzeit fand an Halloween statt – also gut, zwei Tage davor –, und die Braut hatte etwas Gruseliges in Orange und Schwarz gewollt. Schlimmer noch, die Gäste sollten allesamt kostümiert kommen. Auf den Kirchenstufen war Allie bereits dem Bruder der Braut begegnet, der sich als Napoleon verkleidet hatte.
    Jetzt betrat er die Kirche und blieb neben ihr stehen. Allie hob den Kopf und sah zu ihm auf – einem unverhältnismäßig großen Napoleon, fand sie. Er hatte eine Hand in die Jacke geschoben. »Stört Sie doch nicht, wenn ich hier bin, oder?« fragte er.
    Allie schüttelte den Kopf. »Leider habe ich keine Zeit zum Plaudern«, antwortete sie. »Es ist ziemlich viel zu tun.«
    Er nickte. »Ich soll dafür sorgen, daß der Priester auch wirklich kommt.« Schmunzelnd fügte er hinzu: »Ich habe immer gedacht, die wohnen unter dem Altar, wenn sie nicht gerade predigen.«
    Allie umwand vorsichtig einen Mimosenstengel. Die hellen Blüten waren so empfindlich, daß sie bei ihrer Berührung

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