In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)
Frostbeulen im Asphalt schob.
Allerdings saß Mia ohnehin so dicht neben ihm, daß er die Wolle ihres Pullovers riechen konnte. Vor der roten Ampel sah er aus dem Augenwinkel den Puls hinter ihrem linken Ohr schlagen.
Seit er Allie an der Kirche abgeholt und Mia an ihrer Seite gefunden hatte, brachte er kaum ein Wort heraus. Ihm war fast das Herz stehengeblieben vor Schreck, sie über ein Körbchen mit weißen Gänseblümchen gebeugt zu sehen, das Haar auf dem Kopf zusammengerollt und mit einem strategisch hindurchgesteckten Stift aufgespießt. Cam war im Mittelgang stehengeblieben und spürte etwas in sich anwachsen, bei dem es sich möglicherweise um schlichte Erleichterung handelte – das er aber wie eine Hitzewelle, wie eine explodierende Hoffnung empfand.
»Hey«, war es aus ihm herausgeplatzt. »Du bist wieder da. Wie geht's deiner Tante?« Die Worte waren schon auf den weißen Läufer gepurzelt, den man für die Braut ausgerollt hatte, ehe ihm auffiel, daß er sich eben ein Detail ausgedacht hatte, das er eigentlich gar nicht wissen durfte.
Allie war damit beschäftigt gewesen, ihren Blumendraht und die Schweizer Taschenmesser wieder in der kleinen roten Werkzeugkiste zu verstauen, die sie zum Transport verwendete. Ihre rauhen und grünfleckigen Hände fummelten an dem Schloß der Kiste herum. »Woher weißt du, daß sie bei ihrer Tante war?« fragte sie, dann stand sie auf und gab ihm einen Kuß auf die Wange.
Nur weil es so von ihm erwartet wurde, schlang er seinen Arm um Allies Taille. »Da sind doch immer irgendwelche Tanten im Spiel«, improvisierte er und sah Mia hilfesuchend an.
»Es geht ihr gut«, antwortete Mia und warf ihm dabei mit den Augen den Lügenfaden zurück, wohl wissend, daß sich in Windeseile ein Netz daraus spinnen würde, groß wie das eines Krabbenfischers und ebenso verfänglich.
Allies Wagen war wegen eines kaputten Rücklichts in der Werkstatt, weshalb Cam sie zur Kirche gefahren hatte und sie und Mia nun zurück zum Blumenladen brachte. Aber er hatte den Zivilstreifenwagen nehmen müssen, dessen Kofferraum voll war mit Schachteln von Flugblättern und T-Shirts und Baseballkappen für ihre Anti-Drogen-Kampagne an den Schulen. Was bedeutete, daß sie die restlichen Blumenkörbe und Arbeitsmittel auf den Rücksitz luden, während er mit Allie und Mia vorne saß.
Mia gab sich redliche Mühe, auf Allies Hälfte der Vorderbank zu bleiben – Cam hatte keine Ahnung, wie sie überhaupt in der Mitte gelandet war –, aber ab und zu wurde sie durch eine Unebenheit auf der Straße gegen ihn geschleudert. Cam nahm auch Mias Geruch wahr, den holzigen Tannengeruch ihres Haares und ihrer Haut, der sich mit Allies flüchtigem Apfelparfüm mischte, bis ihm ein wenig übel wurde.
»Sechs-zwei-eins an vier«, knisterte es aus dem Funkgerät. Cam sah nach unten und stellte fest, daß es gegen Mias Schenkel drückte. Er faßte nach unten und zog es heraus. »Vier an Sechs-zwei-eins«, gab Cam zurück, dann folgte eine Reihe von Buchstaben und Zahlen. Schließlich drückte er den Empfänger neben Mias Bein in die Halterung zurück. »Ich muß los«, erklärte er Allie. Er trat kurz aufs Gas und bog auf den Parkplatz ihres Geschäfts. »Werdet ihr allein fertig?«
Allie nickte. »Ich bin ein alter Hase«, sagte sie. Sie stieg aus dem Auto und faßte auf die Hinterbank, um zwei Blumenkörbe herauszuzerren.
»Ich helfe dir«, sagte Mia. Sie faßte ebenfalls auf die Rückbank, ohne dabei Cams Blick zu erwidern. Allie machte sich auf den Weg zum Laden, die Körbe in einer Hand balancierend, so daß sie in ihrer Tasche nach dem Schlüssel suchen konnte.
»Du bist zurückgekommen«, sagte Cam leise.
Mia nickte. Sie zerrte an Allies Werkzeugkiste, die sich irgendwie im Sitzgurt verhakt hatte und sich nicht lösen wollte.
»Wann kann ich dich sehen?« fragte Cam.
Mia sah auf. »Gar nicht«, murrte sie. Wieder zog sie am Griff der roten Kiste.
Cam drehte sich auf dem Fahrersitz um und legte seine Hand auf Mias. Mit einem Ruck flog die Werkzeugkiste hoch, der Deckel ging auf, und Blumendraht, Steckschaum und Messer verteilten sich über den ganzen Sitz. »Scheiße«, murmelte Mia und beugte sich hinunter, um ein Band aufzuheben, das davongerollt war.
Cams Hand zog sie wieder nach oben, und zwar so, daß sie an dem Rücksitz lehnte; dann küßte er sie. Mitten auf der Main Street, und mit Allie hinter der offenen Ladentür … Sein Mund schob sich über ihren, bis sich ihr Magen anspannte und
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