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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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das wußte er; dann zauberte sie mit wahrscheinlich letzter Kraft ein breites, verzeihendes Lächeln auf ihre Lippen. Cam starrte ihr lange ins Gesicht, dann packte er seinen Hut samt Pistolengurt und floh hinaus.
    Auch Cam war unter Strafandrohung zu der Vorverhandlung von Jamies Fall bestellt worden. Das überraschte ihn nicht, immerhin hatte er die Verhaftung vorgenommen – aber das machte es nicht einfacher, öffentlich gegen seinen Cousin auszusagen. Nie war er sich der Sätze so bewußt gewesen, die er zu einer Darlegung aneinanderreihte; der verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks ›Recht sprechen‹.
    »Er kam ins Ortszentrum«, beantwortete Cam Audra Campbells Frage, »und wollte mich sprechen. Um mir zu sagen, daß er seine Frau getötet hatte.«
    »Hat der Angeklagte erklärt, daß er es getan hat?«
    Cam nickte. »Ja.« Im Geist sah er Jamie in seinem Wagen sitzen und die Spannung wie blaue Schwaden von seinem Körper abstrahlen, während er sich erkundigte, ob Cam tatsächlich Cameron MacDonald war, der Chief von Carrvmuir. Er entsann sich, daß ihm Jamies Größe und das rötliche MacDonald-Haar aufgefallen waren – sowie die drei parallelen Kratzer auf der linken Wange. Wie in den Kautionsauflagen festgelegt, hatte Cam Jamie noch an jenem Morgen aufgesucht, bevor er zu der Vorverhandlung nach Pittsfield gefahren war. Inzwischen, einen Monat später, waren die Kratzer verschwunden; man sah nicht mal mehr weiße Streifen. Cam dachte bei sich, daß Jamie nur zu gern eine Narbe zurückbehalten hätte.
    »Chief MacDonald?«
    Cam sah auf und merkte, daß die stellvertretende Staatsanwältin ihm eine Frage gestellt hatte, die er nicht mitbekommen hatte. »Verzeihung«, sagte er. »Könnten Sie das wiederholen?«
    »Ich wollte mich nach dem Geständnis erkundigen, das der Angeklagte unterschrieben hat.« Sie hielt ein Papier in der rechten Hand hoch, das Cam als Jamies freiwillige Aussage vor der Polizei von Wheelock erkannte.
    Er seufzte. »Ich habe den Angeklagten in Gewahrsam genommen, und er erzählte mir, welche Umstände zum Tod seiner Frau geführt hatten, angefangen von ihrer Krebserkrankung bis zu den Metastasen-Herden. Außerdem soll seine Frau ihn gebeten haben, sie zu töten, obwohl es dafür keine Beweise gibt.«
    Audra lächelte, und Cam merkte verblüfft, wie raubtierhaft sie aussehen konnte. Vorübergehend fiel ihm Graham MacPhee ein, und er hoffte, daß der Anwalt seine Stifte gut gespitzt hatte. »Haben Sie den Angeklagten über seine Rechte aufgeklärt?«
    »Selbstverständlich.«
    »Wurde irgendwie Zwang ausgeübt, um das Geständnis zu erhalten?«
    Cam sah sie finster an. »Das ist bei uns nicht üblich.«
    »Hat der Angeklagte schließlich ein Geständnis unterzeichnet?«
    Nun machte Cam einen steifen Rücken. »Hören Sie, Sie halten das verdammte Ding in Ihrer Hand.« Er stand auf und frohlockte über die Tatsache, daß Audra Campbells Gesicht ein tiefes Rot angenommen hatte. »Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß. Er hat gestanden. Punkt. Und jetzt muß ich wieder in die Arbeit.«
    Audra nagelte ihn mit ihrem Blick fest. »Vermittler«, sagte sie, »könnten Sie den Zeugen anweisen, nur das zu beantworten, worüber er befragt wird?«
    Ein kleiner Kerl mit einer solchen Stupsnase, daß Cam ihm direkt in die Nasenlöcher schauen konnte, lächelte ihn entschuldigend an. »Chief MacDonald«, flehte er, »bitte antworten Sie nur, wenn Sie darum gebeten werden.«
    Cam setzte sich wieder und blitzte zu Audra hinüber. Sie warf ihm einen Blick zu. »Keine weiteren Fragen«, sagte sie.
    Wenn Cam sie anbrüllte, dann normalerweise deshalb, weil Allie ihm einfach am nächsten war. In gewisser Hinsicht faßte sie das als Ehre auf. Sie wußte, daß er in Wahrheit nicht auf sie wütend war – sondern auf einen Gefangenen, der ihn zur Weißglut getrieben hatte, oder auf einen Fall, an dem er gerade arbeitete –, doch nur in ihrer Nähe fühlte er sich wohl so sicher, daß er sich einfach gehen lassen durfte. Darum hatte es sie nicht so betroffen gemacht, was er an diesem Morgen rausgelassen, sondern wie er sie dabei angesehen hatte: und zwar so, als könnte er sie wirklich nicht ausstehen.
    Sie betrachtete ihr Gesicht noch ein paar Minuten im Badezimmerspiegel, auf der Sache nach etwas, das Cams Herzensumschwung rechtfertigen würde. »Sei nicht albern«, mahnte Allie sich. »Du mißt dieser Sache viel zu viel Gewicht bei.«
    Sie schlüpfte aus ihrem Frotteebademantel – marineblau mit

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