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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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liebe, grimmige Frau an und merkte, daß ihm endlich gelungen war, woran er seit Monaten arbeitete. Er hatte Allie provoziert. Und jetzt übermannte ihn der Zorn – auf sich selbst, weil er sich in Mia verliebt hatte; auf Allie, weil sie dieses Foto aufgetrieben hatte, das mit Sicherheit in der Zeitung landen würde; auf Jamie, der Allie so total in Beschlag nahm, daß sie nicht da gewesen war – zu dem Zeitpunkt, als Cam sich so in seinem Leben verhedderte, daß er sich nur noch durch einen schmerzvollen, unwiderruflichen Schnitt befreien könnte.
    »Wetten daß?« sagte er mit seidig ruhiger Stimme und nahm das Foto vom Sofa. Der geklebte Rahmen gab unter dem Druck seiner Finger nach, und das Glas zersplitterte zu ihren Füßen. Cam zerrte das vergilbte Foto heraus und riß es in zwei Hälften, so daß er und der Wolfshund gut einen Meter von Jamies Abbild landeten.
    Allie stieß ihn von sich und überraschte ihn damit derart, daß er rückwärts auf dem Sofa landete und zu ihr aufstarrte. Er sah, wie ihr Hals bebte, während sie um Beherrschung rang. »Du Scheißkerl«, fuhr sie ihn an. »Ist dir je der Gedanke gekommen, daß das, was du willst und du brauchst, nicht unbedingt das Beste für alle anderen ist?«
    Sie schnappte sich ihre Tasche von dem niedrigen Fußbänkchen vor dem Fenster und machte sich auf den Weg zur Tür. Ihre Worte klangen ihr immer noch im Ohr, und sie fragte sich, an welchem Punkt die Auseinandersetzung umgekippt war, so daß sie keinen dummen Zank über ein Weihnachtsgeschenk mehr ausfocht – sondern plötzlich ihr ganzes Leben mit Cam in Frage stellte.
    Alles an ihr war auf irgendeine Weise mit ihm verbunden. Sie hatte die Lage ihres Ladens so gewählt, daß es nicht weit zur Polizeistation war. Sie hatte ihre Essenszeiten so eingerichtet, daß sie mit den Schichten zusammenfielen, die Cam jede Woche schob. In den vergangenen fünf Jahren hatte sie Angeln und Zielschießen gelernt, wie man die Zeit am Sonnenstand ablas und wie sie in bitterer Kälte einen freien Kopf behielt. Sie war kaum je Allie; statt dessen war sie die Frau des Polizeichefs geworden, die Frau des Clanoberhaupts. Vor acht Jahren hatte sie sich so sehr nach Cam verzehrt, daß sie nicht merkte, wie sehr sie sich gleichzeitig dafür selbst aufgab.
    Es war befreiend, ihrer Wut freien Lauf zu lassen; auf diese Weise kam sie in der gleichen Zeit doppelt so weit. Sie würde Jamie hundert von diesen Bildern schenken, wenn ihr der Sinn danach stand. Mochte Cam doch in der neuesten Enge ihres Heimes ersticken; sollte er doch versuchen, sich daran zu erinnern, wo sie die Quittungen für seine gereinigten Uniformen aufbewahrte und wie man etwas anderes kochte, als Dosen zu öffnen!
    Sie spielte mit dem Gedanken, zu Mia ins Wheelock Inn zu ziehen, doch hatte sie das Gefühl, sich dadurch aufzudrängen. Graham MacPhee hatte die ganze Sache ausgelöst, doch sie kannte ihn nur flüchtig. Und bei Angus war nicht genug Platz für Jamie und sie. Also ging sie den ganzen Weg zur Ortsmitte bis zu der Telefonzelle neben der Polizeistation. Dann rief sie Cams Mutter an und fragte sie, ob sie sich über einen Besuch freuen würde.
    Allie hackte leidenschaftlich auf ihren Sellerie ein. »Dieser Idiot«, sagte sie. »Ich habe es endgültig satt.«
    Ellen nahm die Gurkenscheiben von ihren Augen. Sie lag auf dem Küchenboden, damit sie sich mit Allie unterhalten konnte, während diese Gemüse schnitt. Sie hatten bereits gegessen, doch Allie strahlte eine negative Aura aus, die erst abgearbeitet werden mußte, bevor ihr Geist in den Zustand des Schlafes übergehen konnte; und da Ellen keinen Punchingball oder etwas Gleichwertiges besaß, hatte sie ihre Gemüseschublade leergeräumt. »Er ist auch mein Sohn«, sagte sie.
    Allie warf ihr einen Blick über die Schulter zu. »Ich weiß«, entschuldigte sie sich, als hätte Ellen dieses schwere Los nicht verdient. »Wenigstens kann ich weggehen.«
    Ellen lachte und stand auf, wobei der Kaftan elegant zu Boden sank und sich um ihre nackten Füße sammelte. »Ich kann es nicht, und du kannst es auch nicht, Schatz«, faßte sie zusammen. Sie nahm Allies Handgelenk, schüttelte ihr das scharfe Messer aus der Hand und drehte sie nach oben, so daß eine blasse silberne Narbe unter dem Neonlicht sichtbar wurde. »Er steckt dir unter der Haut.«
    Ellen hatte ebenfalls eine Narbe. Die meisten Ehepaare in Wheelock hatten eine; so wollte es der heidnische Brauch, der die kirchliche Hochzeit abschloß. Vor

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