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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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danken können, die ich mir gemacht hab', Kleines«, sagte er, »also versuchs' gar nich erst.«
    Allie verliebte sich augenblicklich in das Bild, das mittlerweile ein wenig verblichen in einem gesprungenen Obsidianrahmen steckte. Es zeigte zwei kleine Jungen auf der Eingangstreppe vor Carrymuir. Einer hockte über einem Murmelspiel, der andere hatte die Hand auf den Rücken eines Wolfshundes gelegt. Die beiden waren etwa fünf Jahre alt, und ein Fremder hätte sie für Brüder gehalten, so ähnlich waren ihre geschmeidigen Gestalten, der Beatles-Haarschnitt und der Farbton ihrer Haare.
    Soweit sie wußte, hatte Cam dieses im Jahr 1965 aufgenommene Bild von sich und seinem Cousin Jamie nie gesehen.
    Sie hatte das Foto herausgenommen, sobald sie aus dem Laden nach Hause gekommen war, und den Rahmen mit Zweikomponentenkleber geflickt. Erst morgen wäre er wirklich trocken; trotzdem klemmte sie das Bild wieder hinter das Glas, damit Cam einen Eindruck erhielt.
    Er kam zur Tür herein, sichtbar erschöpft, löste Waffengurt und Halfter und trat sich die Stiefel von den Füßen. Dann ließ er sich auf das Sofa fallen, fast ohne Allie wahrzunehmen, die am Eßtisch saß. »Schweren Tag gehabt?«
    »Ich war heute Ampel, und zwar in der Stoßzeit«, brummelte er.
    Allie lächelte. »Ist das so ähnlich wie Kobold an Halloween?«
    Cam stöhnte, setzte sich auf und drückte sich ein riesiges Kissen an die Brust. »Ich würde gern wissen, warum die Stadtwerke die einzige gottverdammte Ampel in Wheelock so programmiert haben, daß sie genau um halb fünf nachmittags den Geist aufgibt.«
    Allie rieb mit dem Ärmel über eine Rahmenecke, bis sie glänzte. »Muß man den Verkehr wirklich regeln? Was haben die Leute gemacht, bevor es eine Ampel gab?«
    »Unfälle«, erwiderte Cam. Er sah zu ihr hinüber. »Was hast du da?«
    Sie kam ins Wohnzimmer. »Jamies Weihnachtsgeschenk ist eingetroffen«, sagte sie und präsentierte ihm den Rahmen.
    Cam betrachtete ihn leidenschaftslos, einen milden Kommentar auf den Lippen, als er plötzlich die Augen aufriß. »Das bin ja ich«, japste er.
    »Mit Jamie.«
    Er riß ihr den Rahmen aus der Hand. »Das ist Carrymuir – wo, zum Teufel, hast du das her?«
    Seine Augen tasteten das Bild ab, als könnte er mittels eines prüfenden Blicks die verschwommenen Formen im Hintergrund klar werden lassen oder die seither vergangenen Jahre zurückdrehen. »Angus hat es gehabt«, sagte sie und kam damit der Wahrheit recht nahe.
    Cam sah zu ihr auf. Einen Augenblick lang ließ das Scheinwerferlicht eines vorbeifahrenden Autos ihre Züge gefrieren, dann verwandelte sie sich wieder in jemanden, den er kannte. »Angus besitzt genau ein Bild«, belehrte er sie. »Das, das der National Trust auf seine Postkarten druckt.«
    »Tja«, meinte Allie, »das hier hatte er wohl vergessen.«
    Cam stellte das Foto neben sich auf das Sofa und schüttelte den Kopf. »Das schenkst du Jamie nicht«, sagte er.
    Allie lächelte. »Ich wußte, daß du auch eins wollen würdest. Deshalb habe ich ein Duplikat machen lassen. Es müßte fertig sein, bevor …«
    »Du gibst es Jamie nicht « wiederholte Cam. »Ich will nicht, daß er mich ansieht und denkt: ›Scheiße, wir haben zusammen Murmeln gespielt, er ist mir also was schuldig.‹«
    Allie verschränkte die Arme vor der Brust. »Mach dich nicht lächerlich. Gib es wieder her.«
    »Nein.« Cam stand auf. Er überragte sie, und sie mußte den Kopf zurücklegen, um ihm weiter in die Augen zu sehen. »Ich habe es satt, daß sich ständig alles um Jamie dreht, bei dir, bei meiner Mutter und in der Zeitung. Es interessiert mich nicht, daß wir früher in Schottland zusammen gespielt haben. Ich will nicht, daß wir irgendeine gemeinsame Vergangenheit haben.«
    Eine Sehne pulsierte hektisch an seinem Hals, und seine Augen hatten sich verdunkelt, bis sie beinahe schwarz wirkten. Allie machte einen Schritt zurück, denn dieses Stadium des Streites erkannte sie als kritisch. Dies war der Punkt, an dem sie normalerweise klein beigab. Dies war der Punkt, an dem sie Cam immer anlächelte und genau das sagte, was er hören wollte.
    »Du kannst die Vergangenheit nicht ungeschehen machen«, hörte sie sich sagen.
    Er wußte nicht und würde nie herausfinden, was seine Sicherungen durchbrennen ließ. Jamie war gar nicht mehr sein Thema, als Allie sich zum Widerstand entschloß und ihm diesen weisen Rat erteilte. Er dachte an Mia und daran, was er sich zuschulden kommen ließ. Cam sah seine

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