In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)
Schlachten. Es gab ein paar Prozesse wegen Mordes, weil die Betroffenen jemanden in ihrer Nähe plötzlich für einen Vietkong hielten.«
Graham sah ihm an. »Werden Sie Jamie untersuchen?«
Harding nickte. »Ich nehme an, Sie haben ihn nicht nur mitgebracht, damit Sie sich während der Fahrt nicht langweilen.« Er ging zur Tür, öffnete sie und winkte Jamie herein, der aufsprang wie ein zu lang eingesperrtes Hündchen. »Mr. MacDonald«, begrüßte ihn Harding mit einem Händeschütteln. »Ich habe Ihren Fall verfolgt.«
Jamie blickte von Graham auf Harding und dann wieder auf Graham. Er setzte sich und verschränkte streitlustig die Arme vor der Brust. »Wahrscheinlich soll ich mich jetzt hinlegen und Ihnen von meiner Mutter erzählen«, murrte er.
»Nein«, widersprach Harding. Er ließ sich auf der Schreibtischecke nieder und faßte nach einem kleinen Kassettenrecorder, den er Jamie hinhielt. »Es stört Sie doch nicht?« fragte er. Er drückte auf den Aufnahmeknopf, und kurz herrschte Schweigen. Dann sah er Jamie an. »Ich werde Ihnen später ein paar Fragen stellen«, begann er, »aber erst werde ich Ihnen von meiner Frau erzählen.«
Cam blätterte gerade in den Reparaturrechnungen für die Streifenwagen der Polizei von Wheelock, als seine Mutter im Revier erschien. Seit jenem unglückseligen Zusammentreffen vor einer Woche hatte er sie nicht gesehen; doch er wußte, daß sie in der Zwischenzeit Allie getroffen und nichts verraten hatte. Vor ein paar Tagen hatte Allie ihm abends erklärt, daß Ellen angerufen habe, um ihnen mitzuteilen, daß sie nicht zum Weihnachtsessen kommen könne; eine alte Freundin aus einer Kommune in Vermont habe sie zu einer ländlichen Feier eingeladen. »Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, ich sei nicht enttäuscht hatte Allie ihr geantwortet, »aber mit Pferdeschlitten und einer Seance können wir natürlich nicht mithalten.«
Ellen stand in der Tür zu seinem Büro, zwei festlich verpackte Geschenke in der Hand. »Fröhliche Weihnachten«, verkündete sie mit herabgezogenen Mundwinkeln.
»Fröhliche Weihnachten«, murmelte er, den Blick starr auf die Tischplatte gerichtet. Er räusperte sich, stand auf und stopfte die Hände in die Taschen. »Ich habe gehört, daß du Weihnachten nicht da bist«, sagte er.
Sie nickte. »Ich bin in der Peace-of-Living-Community. Eine Frau, die ich vor einem Jahr auf einem Shiatsu-Kurs kennengelernt habe, hat sie auf ihrer Farm gegründet, nachdem ihr Mann gestorben ist.« Ohne weitere Umstände ließ sie die Geschenke auf seinen Schreibtisch fallen. »Ich habe mich selbst eingeladen, da ich Allie nicht in die Augen sehen könnte. Der Himmel weiß, wie du das jeden Tag schaffst.«
Cam zwang sich, sie anzublicken. »Ich werde es ihr sagen. Bestimmt. Aber Mia werde ich auch nicht aufgeben.«
»Hat jemand Mia schon mal darauf hingewiesen, wie dumm es ist, mit einem Mann durchzubrennen, der vor einer anderen Frau davonläuft?« Sie schüttelte den Kopf. »Die Geschichte wiederholt sich.« Ellen richtete sich auf und legte die Hand auf die beiden Geschenke, die auf Cams Schreibtisch warteten. »Das dünne ist deins«, verriet sie ihm. »Ich glaube, du solltest es aufmachen, solange ich da bin.«
Langsam riß Cam das fröhlich-grüne Papier und das Spektakel von Bändern oben an der Spitze herunter. Darunter kam ein handgemachter Besen mit einer gewebten Strohmatte an einem Ende und einem geschnitzten Gesicht oben an dem Sassafrasholz-Stiel zum Vorschein. »Ein Besen?« stotterte er.
Ellen berührte das Lederband, das als Schlaufe durch das Loch im Stiel gezogen war. »Es soll Glück bringen, wenn man bei einem Neubeginn einen Besen schenkt«, antwortete sie. »Ich finde, das paßt; denn wenn ich auch wünschte, daß es nicht ausgerechnet so passiert, möchte ich trotzdem, daß du glücklich bist, Cam.« Sie deutete auf das Gesicht, das winzige Abbild eines verschrumpelten, ergrauten Männleins. »Das ist ein Baumgeist. Er soll dir bei der geistigen Reinigung helfen.«
Sie legte eine Hand auf den Arm ihres Sohnes. »Wenn Gott gewollt hätte, daß wir nur unserem Instinkt folgen, dann hätte er uns keinen Verstand gegeben.« Sie zog ihn zu sich herab und in ihre Arme, so daß Cam das vertraute Gemisch von Pfefferminzdrops, Fantastic und Chanel No. 5 riechen konnte, das sich durch seine gesamte Kindheit zog. »Versprich mir«, sagte Ellen, »daß du dir wirklich alles gut überlegst.«
Mia öffnete die Geschenkschachtel und fand
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