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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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ihren Joghurt leer und stellte den Becher auf dem großen, wachsigen Blatt einer Paradiesfeige ab. »Weswegen?«
    »Wegen der Geschworenen. Ich glaube, er will versuchen, bei der Auswahl zu tricksen. Heute soll ich mich mit einem Kerl von der Universität treffen, der mir alles genau erklärt.«
    Und dann fahre ich heim zu Cam. Die Worte blieben unausgesprochen, weil sie für Allie Alltag waren. Mia blickte auf den Tisch und folgte mit den Augen der Maserung. Was diese Frau alles besaß! Sie wollte selbst in der Lage sein, Cams Kommen und Gehen so leicht zu nehmen, daß ihr nicht jedesmal das Herz im Hals schlug und ihre Handflächen vor Aufregung juckten.
    Noch sechs Stunden, tröstete sie sich. Noch sechs Stunden, dann gehört er wieder dir. Sie sah auf und merkte, daß Allie sie mit eigenartiger Miene beobachtete. »Es macht dir doch nichts aus?« fragte Allie, und Mia erstarrte kurz, weil sie sich fragte, wie wichtig die Frage wohl war, die ihr eben entgangen war. »Was?«
    »Den Laden allein zu führen«, sagte Allie. Sie lächelte ein wenig. »Die Chefin zu sein. Schon wieder!«
    Mia stand auf und ließ ihren leeren Joghurtbecher in das Loch im Arbeitstisch fallen, unter dem der riesige Abfalleimer stand. »Natürlich nicht«, antwortete sie. »Ich nehme doch gern deinen Platz ein.«
    Persönlich hielt Graham MacPhee nichts von Blind Dates. Für ihn waren sie der Beweis für einen kratertiefen Makel, so als würde man, allein indem man einem zustimmte, sich das Wort V ERZWEIFELT in die Stirn brennen. Er ging aus, wenn ihm danach zumute war, was in diesem winzigen Ort nicht oft vorkam. In seinem Hinterkopf nagte schon lange der Verdacht, daß seine Mutter ihn für schwul hielt.
    Seine Mutter war Zahnhygienikerin und bot immer wieder die Tochter oder Nichte eines ihrer Patienten feil. »Eine reizende Person«, erwähnte sie dann beim sonntäglichen Abendessen, »und hat ihren Einser-Abschluß in Skidmore gemacht.« Früher hatte Graham Mädchen in einer Country- und Western-Bar im übernächsten Ort südlich von Wheelock aufgerissen, aber dorthin fuhr man eine halbe Stunde; außerdem hatte er von einer seiner Exkursionen einen akuten Befall mit Filzläusen heimgebracht, darum lebte er seit einiger Zeit solo und zölibatär. Zu seinem letzten Geburtstag hatte seine Mutter ihn bei einer Video-Partnerschaftsvermittlung eingeschrieben. Er war nie in deren Büro gewesen; den Rundbrief warf er ungelesen weg.
    Dann stieß seine Mutter auf Veronica Daws. Sie war mit einem riesigen Loch zu ihr gekommen. Eine Lehrerin in der dritten Klasse. Sie hatte blonde Locken und eine Figur, sagte seine Mutter, für die man sterben könnte. Sie war gewillt, mit Graham auszugehen.
    »Wunderbar«, hatte er gesagt, »aber ich komme nicht.«
    Seither veranstaltete seine Mutter einen persönlichen Kreuzzug für Veronica Daws. Sie verschaffte sich irgendwie ein Bild der jungen Frau, die einigermaßen attraktiv war, und schickte es per Einschreiben und Rückschein an Graham. Sie erwähnte den Namen Veronica bei jedem Telefonat und bei jedem Essen, bis Graham klar wurde, daß es einfacher war, sich auf ein Blind Date einzulassen, als seine Mutter für den Rest seines Lebens im Genick zu haben.
    »Ich habe von Ihrer Verhandlung gehört«, sagte Veronica Daws und spielte mit ihrem Chefsalat. Während der gesamten Vorspeise und jetzt des Salatgangs hatte sie es geschafft, ihr Essen zu ungewöhnlichen Mustern zu ordnen, doch Graham hatte noch keinen Bissen in ihren Mund wandern sehen. »Es hört sich ziemlich dramatisch an.«
    Dramatisch? Er zog die Brauen zusammen und versuchte dann, die Dame nicht allzu streng zu beurteilen. Wie sollte sie anders mit all den brodelnden Emotionen umgehen, aus denen die Verteidigung in Jamie MacDonalds Fall bestand, als sie auf Drittklässlerniveau zu reduzieren?
    »Hat er es getan?« fragte sie.
    Sie sah ihn mit babyblauen Augen an, und ihre Gabel schabte über den Teller. Offensichtlich hielt sie sich penibel an die Ratschläge aus irgendeinem universellen Frauen-Verabredungs-Ratgeber, denen zufolge die Frau den Mann dazu bringen sollte, über sich selbst zu sprechen. Graham bejahte ihre Frage.
    Veronica schauderte. »Puh«, sagte sie. »Wie halten Sie es nur in einem Zimmer mit ihm aus?«
    Graham warf einen Blick über die Schulter auf die Wanduhr. »Er ist nicht Charles Manson. Ich brauche keine Angst um mein Leben zu haben.«
    »Trotzdem.« Veronica ließ sich nicht beirren. »Er hat sie umgebracht. « Bei

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