In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)
darin einen Wollschal in den bunten Clanfarben der MacDonalds aus Carrymuir. »Danke«, sagte sie und wand sich den Schal ums Handgelenk. Sie lächelte etwas betreten und dachte: Was hat das zu bedeuten? Weiß sie Bescheid?
»Ich habe nichts für dich«, sagte sie. »Es tut mir leid.«
Allie grinste. »Das habe ich auch nicht erwartet. Wenn es dich erleichtert, dann nimm es einfach als Weihnachtsbonus dafür, daß du den Laden geschmissen hast, während ich bei Jamies Verteidigung geholfen habe. Andernfalls hätte ich das Geschäft zusperren müssen.«
Mia räusperte sich nervös. Es war der Tag nach Weihnachten, den sie in aller Ruhe dazu nutzen würden, das Lager wieder in Ordnung zu bringen und den Laden sauberzumachen, der nach dem Chaos während der Fertigstellung von über sechzig Feiertagsarrangements mit Samtbändern und angeknacksten Votivbildschächtelchen übersät war.
Sie hatte Cam an Weihnachten kaum zu Gesicht bekommen. Nur ganz kurz, als er Allie am Heiligabend aus dem Laden abholte. Heute abend wollten sie zusammen feiern. Was er sich wohl für eine Ausrede einfallen lassen würde?
Allie machte sich an die Arbeit, sammelte Spulen mit golddurchschossenem Band und ein paar vereinzelte SteckschaumPlatten auf, die ihnen beim Fegen entgangen waren. Unbestreitbar trug sie Sachen, die sie eigens für Weihnachten gekauft hatte – blaßrosa Steghosen und einen übergroßen, Pullover in Grau, Weiß und Rosa. Immer wieder faßte sie sich an die Ohren, um mit einem Paar blinkender Saphire zu spielen. Sie sah Mia an. »Sind die nicht schön?« fragte sie, eindeutig ohne eine Antwort zu erwarten. »Cam hat sie mir geschenkt.«
»Sehr hübsch.« Mia gab sich alle Mühe, ihre Stimme locker klingen zu lassen. »Und was hast du ihm präsentiert?«
»Ach, verschiedenes.« Allie faßte nach einem Besen und stützte den Ellbogen auf den Stiel. »Ein paar Freizeithemden, einen tragbaren CD-Player, eine Gitarre.«
Mia sah sie an. »Eine Gitarre? Kann er denn spielen?«
Allie lächelte. »Noch nicht. Aber ich habe ihm auch ein paar Unterrichtsstunden geschenkt. Ich habe mir immer einen Mann gewünscht, der mir Liebeslieder vorsingt.«
Ihre Assistentin trat an den niedrigen Tisch, auf dem die Bonsaibäume standen, die sie gemeinsam vor mehreren Monaten gekauft hatten. Sie fuhr mit den Fingern über die Stämme, die sich, pedantisch verdrahtet, in allen möglichen unnatürlichen Positionen seitwärts und nach unten beugten. »Du mußt die Knospen stutzen«, erklärte sie Allie gedankenverloren. Dann ging sie ans Kühlregal und holte ihren Joghurt heraus. Sie dachte daran, wie sie in Allies Bad unter der Dusche gestanden hatte, dicht an Cam gepreßt, und unter lautem Gelächter Kanons mit ihm gesungen hatte. »Ich wußte gar nicht, daß Cam singen kann«, sagte sie.
»Kann er auch nicht«, gab Allie zu. »Aber um das zu ändern, reicht mein Weihnachtsbudget nicht aus.«
Lange hatte Mia nach einem Geschenk für Cam gesucht. Am liebsten hätte sie ihm einen Pullover oder ein verblichenes altes Chambray-Hemd gekauft, damit sie endlich etwas von ihr Ausgesuchtes in Händen hätte, wenn sie ihn entkleidete; doch das war absolut unmöglich. Wie sollte er seiner Frau das neue Kleidungsstück in seinem Schrank erklären? Cam gehörte nicht zu den Männern, die zum Shoppen ins Einkaufszentrum gingen; lieber erklärte er Allie, daß er neue Jeans brauchte, um ihr dann seine Größe aufzuschreiben.
Das gleiche galt für Kunstgegenstände oder elektronische Dinge. Mia konnte ihm keine Tickets für ein Spiel der Bruins kaufen, weil sie seine gesamte freie Zeit für sich selbst beanspruchte und sie sich nicht erdreisten konnte, noch mehr davon zu stehlen. Sie hatte sich so in das Geschenkesuchen hineingesteigert, daß sie sich eines Morgens im Blumenladen krank gemeldet und den ganzen Tag lang Kataloge gewälzt hatte, die wie eine bunte Steppdecke über ihr Bett im Motel gebreitet lagen.
»Jetzt kommt es also zu Jamies Verhandlung«, wechselte Mia das Thema.
Allie hielt einen Sekundenbruchteil im Aufräumen inne. »In nicht mal einem Monat«, verdeutlichte sie. »Kaum zu glauben.«
»Daß es so schnell dazu gekommen ist?«
»Nein, daß es überhaupt dazu gekommen ist.« Sie lehnte den Besen gegen den Arbeitstisch und stemmte die Hände in die Hüften. »Wahrscheinlich bin ich bis Neujahr die meiste Zeit weg«, sagte sie. »Graham hat mich gebeten, eine Art telefonische Umfrage zu machen.«
»Eine Umfrage?« Mia löffelte
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