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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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dem Wort senkte sich ihre Stimme. »Ich meine, ich weiß, sie lag im Sterben und so, aber das gibt ihm noch lange nicht das Recht, den lieben Gott zu spielen.«
    Graham ließ ein Lächeln aufblitzen. »Entschuldigen Sie mich einen Augenblick?« bat er. Er ging zur Toilette, trat in die Männerkabine und vermerkte im Geiste, daß das einzige Fenster zu weit oben und viel zu schmal für ihn war. Seufzend ließ er sich mit angezogenen Hosen auf dem Sitz nieder.
    Natürlich hatte Jamie das Schicksal in die Hand genommen. Aber andererseits hatte er es auf Maggies Bitte hin getan. Graham konnte hundert Argumente finden – ein Leben ohne Bewußtsein war kein Leben mehr; ein leidender Mensch hat das Recht, seinem Leid ein Ende zu setzen; ein Akt der Gnade schließt einen Mord aus. So abstrakt formuliert, würden die meisten Menschen diesen Aussagen zustimmen. Wir sind alle darauf programmiert, nur das Beste zu wollen, nicht wahr? Aber nichtsdestotrotz blieb die Tatsache, daß Jamie MacDonald seiner Frau ein Kissen aufs Gesicht gedrückt hatte, bis sie aufhörte zu atmen. Was immer er auch zu tun geglaubt hatte, es kam aus tiefstem Herzen – und diese Emotionen waren so real gewesen, daß er sogar das Leben eines anderen Menschen beendete.
    Auf lange Sicht war es gleichgültig, in welche Schublade Graham diese Gefühle steckte. Man konnte sie als Liebe bezeichnen oder als Angst, als Verzweiflung, als Mitleid. Es konnte alles zusammen oder nichts davon gewesen sein. Und dennoch hatte Jamie MacDonald diese Gefühle empfunden und genau das getan, was die überwältigende Mehrheit von uns niemals wagen würde.
    Graham wußte, warum Veronica Daws ihm nicht glaubte. Warum der Ober ihm einen scheelen Blick zugeworfen hatte, als er vorhin am Empfang seinen Namen nannte. Die Realität eines toten Opfers verstellte den Blick auf die dunkleren Bereiche der Motivation und der uns beherrschenden Leidenschaften. Man gestand sich nur ungern ein, daß ein anderer mehr Mut hatte, als man selbst in derselben Situation aufbrächte – oder daß es möglich war, jemanden so zu lieben, wie man es persönlich absolut nicht kannte.
    Und weil Außenstehende das so schwer verstanden, wußte Graham, daß er Jamie nur rausboxen konnte, wenn er ihn als verrückt hinstellte.
    Graham drückte zweimal die Toilettenspülung, als würde das helfen, den Kopf klar zu bekommen. Er wusch sich die Hände, klopfte sie an seiner Hose trocken und beschloß, den Rest des Abendessens als Test für die Verhandlung zu nutzen, indem er Veronica auf seine Seite zu ziehen versuchte. Sie war jung und leicht zu beeindrucken; sie hätte unter den Geschworenen sitzen können. Wissen Sie, würde er sagen, wenn er wieder Platz nahm, vor Gericht gibt es oft vieles, was nicht gleich ins Auge fällt.
    Graham ging im Geist hastig ein Eröffnungsplädoyer durch und trat aus der Toilette. Veronica Daws, aufgeplustert und aufgeregt wartend, winkte ihm augenblicklich verschämt zu. Graham rückte seine Krawatte gerade und fragte sich, ob ihm in Liebesdingen wohl jemals soviel Glück vergönnt sein würde wie Jamie.
    Fyvel Adams, Professor für Soziologie an der University of Massachusetts in Amherst, arbeitete in einem Verschlag. Er sagte, er bräuchte nicht viel Licht und Platz, um Daten zu sammeln und zu sortieren.
    Allie und Graham standen draußen im Gang. Er wurde von Leuchtkugeln erhellt, die strategisch im Abstand von jeweils einem Meter aufgehängt waren und Graham dunkle Schatten unter die Augen legten sowie einen Bartschatten ins Gesicht zauberten. Allie fragte sich, ob das nur von der Knastbeleuchtung herrührte oder ob er in letzter Zeit schlecht schlief.
    Graham hatte ihr auf der langen Fahrt nach Amherst das Prinzip einer Geschworenen-Befragung erläutert. Die endgültige Liste der Geschworenen für Jamies Fall würde aus einer Liste von dreihundert Namen erstellt, die wiederum aus zufällig ausgewählten Bürgern im Berkshire County ausgesucht wurden. Die Feldforschung, die sie gemeinsam mit Fyvel Adams durchführen sollte, würde darin bestehen, ihre eigene Auswahl an Bürgern zu befragen. Dann würden per Computer die Persönlichkeitsmerkmale der Befragten, die Mitgefühl für Jamie gezeigt hatten, mit demographischen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Tätigkeit, politische Einstellung verglichen. Aufgrund der Ergebnisse der Computerauswertung konnten die Merkmale des perfekten Geschworenen für Jamies Fall bestimmt werden, und an diese Meßlatte würde Graham sich

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