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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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gehört haben konnte, was Graham geflüstert hatte, begriff Graham etwas von entscheidender Bedeutung für den Fall seines Klienten. Richter Roarke wollte eine Verurteilung. Und das bedeutete, daß er keine Fehler machen durfte, die eine Berufung ermöglichten.
    So saßen am Freitag Graham, Allie, Jamie und Fyvel Adams am Tisch der Verteidigung, während die vorläufigen Geschworenen einzeln hereingerufen wurden. Jamie klopfte nervös mit dem linken Fuß auf den Boden, bis Allie, kühl und wohlvorbereitet in ihrem eleganten pflaumenblauen Wollkleid, ihn mit einer Berührung zur Ruhe brachte. Graham lächelte ihr zu. Er sah, wie sie Jamies Finger nahm und sie auf dem Tisch zwischen ihren beiden Händen festhielt.
    Der erste mögliche Geschworene hieß Alexander Grant und war ein pensionierter Colonel, der in der Army Karriere gemacht hatte. Graham verdrehte die Augen. »Phantastischer Anfang«, flüsterte er und legte eines seiner zwanzig möglichen Vetos gegen den Geschworenen ein.
    An Grants Stelle trat Roberta Cavendish, siebenundvierzig, katholisch, Hauptschulabschluß, Mutter von fünf Kindern. »Sieben Punkte«, murmelte Fyvel, zu Graham gebeugt. »Das reicht nicht.« Graham überflog seine eigene Liste der Adressen, die er sich angeschaut hatte, und sah, daß er auch an dem Heim der Cavendishs vorbeigekommen war. Räudiger Hund, hatte er geschrieben. Haus nur zur Hälfte gestrichen. Überall Weihnachtsbeleuchtung. »Sie bleibt«, murmelte Graham.
    Die nächste potentielle Geschworene, eine junge Musiklehrerin an der Grundschule von Wheelock, zwinkerte Graham beim Hinsetzen zu. Audra Campbell verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte ihrerseits diese Dame ab.
    Graham lehnte einen fünfundsechzigjährigen Farmer ab, der nur sechs Jahre zur Schule gegangen war. Audra wollte den fünfundzwanzigjährigen schwarzen Sozialarbeiter nicht.
    Eine Frau mit hellen Augen und strohigem orangefarbenen Haar watschelte in den Zeugenstand. Fett, unsicher; immer wenn Audra oder Graham eine Frage auf sie abfeuerten, verknotete sie erst einmal ihre Daumen. Neben Graham kringelte Fyvel zornig die Ziffer ein, die er für sie errechnet hatte: 8. Er schüttelte den Kopf und warnte lautlos: »Nein.« Doch Graham sah ihr in die Augen und glaubte, jenen gelben Funken darin zu entdecken, der manchmal im Fahrwasser des Mitleids aufblinkte. Er nickte dem Richter zu.
    Die aufgerufenen Geschworenen wurden immer schlimmer, so als hätte man bei der Lotterie gemogelt. Nach einer kurzen Pause am Spätvormittag war scheinbar niemand mehr unter fünfundsechzig, jeder katholisch und jeder hatte irgendwann in der Armee gedient. Graham begann, Fyvels hektisches Zupfen an seinem Hosenbein und das aufgeregte Kritzeln auf dem Notizblock zu ignorieren. Statt dessen sprach er sich flüsternd mit Allie ab: Mir gefällt, daß sie so oft blinzelt. Sie hat einen netten Mund. Eine Mickymaus-Krawatte ist ein sicheres Zeichen für Nonkonformismus.
    Audra lehnte eine kahlgeschorene junge Frau ab und einen japanischen Computerfachmann. Graham legte sein Veto gegen eine Dame ein, die dem Ortsverband der Abtreibungsgegner vorstand.
    Als schließlich vierzehn mögliche Geschworene beisammen waren, drehte sich Graham zu dieser Gruppe um und atmete tief durch. Von den vierzehn hatte Fyvel nur zwei gebilligt: einen laut eigener Auskunft am Hungertuch nagenden Künstler und eine Aushilfs-Kindergärtnerin. Das Durchschnittsalter der bislang versammelten Geschworenen lag bei zweiundfünfzig Jahren. Die Mehrheit war katholisch, konservativ, eher ungebildet. Fyvel knallte seinen Stift hin; er rollte davon und unter das Pult der Verteidigung.
    Graham warf einen Blick auf diejenigen Geschworenen, die noch nicht befragt worden waren. Ein Meer von nichtssagenden, alten Gesichtern; niemand, der offenkundig die Eigenschaften besaß, mit denen er zwanzig Punkte auf Fyvels Skala erreichte. Natürlich erkannte man einen Demokraten oder Juden nicht auf den ersten Blick – doch Graham hatte keinen Grund zu der Annahme, daß die übrigen möglichen Geschworenen sich plötzlich als liberaler erweisen könnten.
    Ihm waren fünf Vetos geblieben. Wenn er eines davon einsetzte, bekam damit Audra die Möglichkeit, einen der Geschworenen loszuwerden, die ihnen wirklich gefielen, den Künstler etwa oder die Kindergärtnerin. Bei seinem bisherigen Glück würden sie womöglich durch Ronald Reagans Stabschef aus dem Weißen Haus ersetzt.
    Er warf Audra Campbell einen kurzen Blick zu und

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