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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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wandte sich dann an Richter Roarke, um ihm zu erklären, daß die Verteidigung mit der Auswahl der Geschworenen einverstanden sei.
    Hoecht Lake lag wie ein Kirschkern mitten in Braebury, in ein Tal gebettet, das ringsum anstieg und über dessen Hänge sich der Ort ausbreitete. Cam schnürte Mias Schlittschuhe und zog sie einmal rings um das Oval, bis sie sich sicher genug fühlte, allein das Gleichgewicht zu halten. Die übrigen Schlittschuhläufer schwebten lachend und wie ein Meer von Luftballons durch ihr Blickfeld. Ein kleines Mädchen bot ihnen an, sie mit der Polaroidkamera zu fotografieren, die Mia gekauft hatte. Vor ihren Augen entwickelte sich das Bild: Cam, dessen Haar mit der Sonne um die Wette leuchtete, und in seinen Armen Mia mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
    Doch wenn man nicht eislaufen kann, ist man es bald leid, ständig hinzufallen. »Meine Knöchel haben irgendeinen genetischen Defekt«, sagte Mia und packte Cams Hand, als sie über einen im Eis steckenden Halm stolperte. »Sie knicken immer ein.«
    »Mit deinen Knöcheln ist alles in Ordnung«, zerstreute er ihre Zweifel. »Sie sind einfach nicht an so was gewöhnt.«
    Behutsam löste Cam Mias Finger und glitt davon, um dann in einer scharfen Kurve anzuhalten und ihr die Schneegischt ins Gesicht zu spritzen.
    »Angeber«, grollte Mia.
    » Das «, meinte Cam, »ist nun wirklich genetisch veranlagt.« Er zog eine kleine Schleife um sie und legte dann seine Hände auf ihre Hüften. »Du mußt dich einfach gleiten lassen.«
    Mia spürte, wie die Füße unter ihr wegrutschten. »Laß los«, sagte sie und zog Cams Hände weg. »Das ist mir zu schnell.«
    »Mia!« Cam lachte. »Die Bäume sind schneller als du.«
    Er schwebte davon, und Mia stolperte über den nächsten Halm, der aus dem Eis ragte. Breitbeinig blieb Cam hinter ihr stehen und zog sie unter den Achseln wieder hoch. »Mir war klar, daß es gefährlich sein würde, mit dir loszuziehen«, knurrte sie. »Aber nicht so gefährlich!«
    Cam stellte sie auf die Füße. »Wenn du ganz lieb zu mir bist«, schlug er vor, »darfst du eine Runde aussetzen.«
    Mia hielt sich an seinem Ellbogen ein und lächelte dankbar. Er verfrachtete sie auf eine der Holzbänke. »Bin gleich wieder da«, rief er und kurvte mit halsbrecherischer Geschwindigkeit in Richtung des abgetrennten Hockey-Ovals davon.
    Sie schaute zu, wie sich Cam zwischen den drei dort stattfindenden Hockeyspielen hindurchschlängelte und dabei immer dort, wo sein Schlittschuh drübergefahren war, eine dünne weiße Linie hinterließ. Plötzlich fand sie seine eleganten Bewegungen nicht mehr schön, sondern ärgerlich. So würde Mia nie eislaufen können. Sie würde sich nie so nahtlos wie die anderen hier in die barschen neuenglischen Winter einfügen wie Cam. Noch ein Unterschied, der den Berg zwischen ihnen aufstockte.
    Als Cam zu Mia zurückgeglitten kam, saß sie zusammengekauert auf ihrer Bank, hatte die Schlittschuhspitzen in das vernarbte Holz gebohrt und die Arme um die Knie geschlungen. Obwohl sie wußte, daß ihre Nase lief, ihre Augen geschwollen und die Wangen rotfleckig von der Kälte waren, hob sie den Kopf.
    In Cams Brust zog sich etwas zusammen, als er sie so erblickte. Er konnte sich nur vorstellen, daß sie sich beim Fallen irgendwie verletzt hatte und er rücksichtslos genug war, sie alleinzulassen. »Mia?« Er zog sie in seine Arme. »Was ist denn?«
    Ihre Antwort kam stockend und fast als Flüstern. »Ich will nicht skilaufen.«
    Cam blinzelte. » Was willst du nicht?«
    Sie löste sich aus seiner Umarmung. »Ich will morgen nicht skilaufen.« Schniefend wischte sie sich die Nase am Ärmel ab. »Du sollst mich nicht schon wieder bei etwas erwischen, was ich nicht kann.«
    Cam küßte sie aufs Ohr. Seine Lippen waren mindestens zehn Grad wärmer. »Wir brauchen nicht skizulaufen«, versicherte er ihr und legte einen Arm um sie. Er dachte an die Grammatik des Gälischen, wo es nicht hieß, man sei in jemanden verliebt, sondern wo man ›Liebe für jemanden‹ hatte, als wäre die Liebe etwas Greifbares, das man überreichen konnte wie einen Strauß Tulpen, einen goldenen Ring, ein Päckchen Zärtlichkeit. »Ich würde dich auch lieben, wenn du den ganzen Tag nur im Sessel sitzen würdest«, versicherte er, und Mia lächelte.
    Sie blieben in schweigsamer Zweisamkeit hocken, mit Blick auf eine Eis-Skulptur, die ein vielversprechender einheimischer Künstler an der Nahtstelle zwischen den beiden Eisflächen geschaffen

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