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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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ihres Einzugs; die lächerlich kleine Schlafzimmer-Ankleide, die jetzt höhlenartig und geräumig wirkte, und auf deren Boden Staubfusseln umherkullerten.
    Sogar sein beschissenes Kissen hatte sie verkauft.
    Er kehrte ins Bad zurück, um Wasser zu lassen, und bemerkte einen in Zeitungspapier gewickelten Gegenstand, der in der dunklen Ecke hinter der Toilette klemmte. Er beugte sich vor und zog ihn heraus. Die Tagesnachrichten vom vergangenen Donnerstag blickten ihm entgegen, und obwohl er ihr dabei keine Absicht unterschob, prangte ein großer Artikel über die bevorstehende Verhandlung gegen Jamie MacDonald auf der Vorderseite.
    Noch bevor er das Paket öffnete, wußte er, was es enthielt. Hier auf dem Badezimmerboden, ohne jedes Licht von hinten, hatte das Buntglasbild weder Farbe noch Leben. Cam setzte sich davor und schaute es an. Er wußte nicht, warum es nicht auf einem Karton neben seinen anderen Geschenken an Allie feilgeboten worden war; er würde es nie erfahren.
    Cam dachte daran, wie er es Allie überreicht hatte: mit der Ermahnung, vorsichtig damit umzugehen – sonst verböge sich das Blei. Er hatte es ihr geschenkt und dabei die ganze Zeit an Mia gedacht.
    Das würde sich wahrscheinlich auch nicht so bald ändern. Unabhängig davon, was Allie unternahm und wann sie wieder auftauchte, ein weiterer Teil von Cam war gestorben. Vernünftigerweise mußte er damit rechnen, daß er Zeit zum Trauern brauchte.
    Nur würde er es nicht zeigen. Das war er seiner Frau schuldig.
    Seiner Frau. Die Worte gerannen ihm auf der Zunge. Sorgfältig nahm er ein Knäuel Toilettenpapier zur Hand und reinigte das Buntglasbild. Er wischte die bunten Scherben klar und staubte die Bleifassungen ab. Dann schaffte er den kostbaren Gegenstand ins Schlafzimmer und hängte ihn wieder an den schmiedeeisernen Haken, an den er gehörte.
    Cam blieb vor dem Objekt stehen, bis der Mond dahinter aufging, und schickte sich in diesen Tag, in den nächsten und übernächsten.
    Wenn du lange mit einem Mann verheiratet bist und mit ihm schläfst, gibt es eine gewisse Ordnung. Du weißt, wie lange und wann du geküßt wirst. Du weißt, daß er mit der rechten Brust anfangen und sich dann auf die linke konzentrieren wird. Du weißt, daß sein Mund über deinen Bauch wandern und dich bis kurz vor den Gipfel bringen wird und daß er dann wieder hochkommen wird an deinen Mund, um dich deine eigene Erregung schmecken zu lassen.
    Bei einem neuen Mann fehlt dieser Rhythmus.
    Allie lag nackt auf dem Rücken in einem Zimmer im Green Gate Motel und hatte O'Malleys schweren Körper auf ihrem. Sie hatten sich beim Küssen die Nasen aneinander gestoßen, hatten einander den Schmelz von den Zähnen geschabt, und soviel Disharmonie konnte nicht allein auf ihre Trunkenheit zurückzuführen sein. Allie war nervös, aber nicht wegen des Aktes selbst. Sie wußte nicht, was sie als nächstes tun sollte, und die reine Neuartigkeit, die Andersartigkeit, gab ihr das Gefühl, etwas Falsches zu tun.
    O'Malley hatte übermäßig viel Zeit damit zugebracht, an und in ihrem Ohr herumzulecken, was sie überhaupt nicht erotisch fand. Er hatte die Tendenz, ihr Dinge zuzuflüstern, bei denen sie am liebsten die Beine zusammengekniffen hätte: Willst du einen Cowboy reiten, Süße? Ich kann verdammt lang im Sattel bleiben.
    Doch zu ihrer Überraschung spürte sie, wie ihre Brustwarzen fest wurden und ihr Unterleib weich. Erschrocken begriff sie, daß dieser Mann, den sie nicht kannte und nicht mochte, sie kommen lassen würde.
    Es ist bloß Sex, sagte sie sich, als er ein Kondom überstreifte und in sie drang. Das war es für Cam; das ist es für mich – und hat mit einer Ehe nichts zu tun.
    Sie fing an zu weinen und weinte all die Tränen, die am Vormittag oder nachmittags auf dem Weg nach Shelburne nicht fließen wollten. Erst weinte sie leise, dann mit immer lauterem Schluchzen, so daß sich O'Malley entsetzt aus ihr zurückzog. Erklären mochte sie nichts. Das wollte und brauchte sie nicht. Sie drehte sich von ihm weg, rollte sich zusammen und versuchte, sich den schnellsten Weg nach Hause ins Gedächtnis zu rufen.
    Als Angus und Ellen den Gerichtssaal in Pittsfield betraten, ließen sie zwischen sich einen Platz für Allie frei; doch zehn Minuten bevor die Jury zusammentreten würde, war sie immer noch nicht aufgetaucht. »Ich weiß nicht, was mit ihr ist«, sagte Ellen und sah auf ihre Uhr.
    Graham, der vor Nervosität und Tatendrang fast auf den Zehenspitzen stand,

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