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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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durch die Kondenströpfchen an ihrem Glas. »Ich heiße Allie!«
    »Nur Allie?« Der Mann grinste; das ließ ihn weicher aussehen.
    Sie erwiderte sein Lächeln. »Das ist der einzige Name, auf den ich höre«, gab sie zurück. »Leben Sie hier in der Nähe?«
    O'Malley nickte. »Draußen im Westen. Ich bin Vormann auf der Double K.«
    Allies Augen wurden größer. »Sie meinen, es gibt tatsächlich eine Ranch da draußen?«
    »Sozusagen«, antwortete er. Verschwörerisch beugte er sich vor. »Ich wette fünf Dollar, daß niemand auf der Tanzfläche hier einen Pferdekopf vom -hintern unterscheiden kann.«
    Wieder lachte sie auf. Es fühlte sich gut an, linderte die Spannung in Brust und Schultern. »Sie sind also wirklich ein Cowboy?«
    O'Malley zuckte mit den Achseln. »Wenn man so will. Eigentlich züchten wir Bisons auf der Double K.«
    »Bisons? Sie meinen Büffel?«
    »Genau!«
    Allie gönnte sich einen tiefen Schluck. »Wozu?«
    »Vor allem als Schlachtvieh. Sie wären überrascht, wie viele Nobelrestaurants in Boston feste Kunden bei uns sind.«
    Allie zog die Brauen hoch. »Ich habe noch nie Büffelfleisch gegessen.«
    O'Malley legte seine Hand auf ihre. »Das ist kein Unglück«, versicherte er ihr. Diesmal lächelte er und zeigte dabei weiße, ebenmäßige Zähne wie eine Reklame. »Komm, wir tanzen, Allie«, forderte er sie auf, und ehe ihr einfallen konnte abzulehnen, hatte er sie schon in die Menge gezogen.
    Er hielt ihre linke Hand zwischen ihren Leibern, gegen ihre Brust gedrückt. Ab und zu spielte er an ihrem Ehering, doch erwähnte er ihn mit keinem Wort. Eigentlich sagte er überhaupt kaum etwas. Den ruhigen Singsang aus dem Lautsprecher summte er mit, bewegte seine Hüften in einem Rhythmus, den er sich, wie Allie vermutete, im Sattel angeeignet hatte, und tanzte mit ihr ins Vergessen.
    Anfangs bekam sie kaum Luft. Doch sie entspannte sich ganz bewußt. Sie schloß die Augen, so daß die Scheinwerfer nur noch ein leichtes Prickeln auf ihren Lidern hervorriefen, und drückte sich tapfer an den geschmeidigen Körper vor ihr. Es kostete Überwindung, einem anderen Mann so nahe zu sein; doch sie hielt sich vor, die Schlacht schon halb gewonnen zu haben, wenn sie ihre Scheuklappen öffnete.
    Wie ein Wirbelwind erfaßte die Musik sie und schob sie enger zusammen, bis O'Malleys Wange schließlich an ihrer lag. Allie hörte ihn Zeilen eines ihr unbekannten Liedes murmeln und sang im gleichen Rhythmus ihren eigenen Text: Cam hat's getan; Cam hat's getan; und du kannst es auch.
    Zurückgeblieben waren nur Dinge, die keiner haben wollte, wie Cam vermutete, und das schloß ihn selbst ein. Auf den umgedrehten Kartons in der Einfahrt lagen ein paar verwaiste Sockenpaare und Boxershorts, ein Pullover, den er vor Jahren mit Bleiche vollgespritzt hatte, ein kaputter Bohrer.
    Er ließ alles liegen, wo es war, und betrat das Haus. Es war eigenartig, die leeren Stellen an den Wänden zu sehen, wo die Erinnerungsstücke aus Carrymuir gehangen hatten, die sauberen Kreise auf den staubigen Regalbrettern, wo einst die aus München und Stuttgart mitgebrachten Bierkrüge prangten. Er überlegte, was Allie wohl auf neugierige Fragen geantwortet hatte – Lügen ausgesprochen oder die Wahrheit? Er vermochte nicht zu sagen, was ihm lieber war.
    Das Haus wirkte zwar noch eingerichtet, aber eindeutig als Bleibe einer Frau. Allies Tagesdecken lagen über dem Sessel und dem Sofa. Allies Vorhänge waren zurückgezogen und ließen die scheidende Sonne ins Haus. Allies Kochbücher standen, der Größe nach geordnet, auf dem Küchenregal.
    Er sank auf die Couch – sein Lieblingssessel war weiß der Himmel wo – und ließ alles hochkommen. Die Enttäuschung, die Wut, die Scham. »Verdammt nochmal«, brüllte er, und das Gefühl dabei war so angenehm, daß er es gleich wiederholte. »Wie kannst du mir das nur antun?«
    Seine Stimme hallte so laut, daß sich das Echo seiner Entrüstung im Fransenteppich und in den Polstermöbeln festkrallte. »Wieso hast du mich verlassen?« fragte er leiser und wußte in diesem Augenblick, daß er überhaupt nicht wütend auf Allie war.
    Ob Mia wohl an ihn dachte?
    Mit einem schweren Seufzer stand Cam auf und vergrub die Hände in den Taschen. Er wanderte durchs Haus, um das Ausmaß der Folgen seiner Untreue in Augenschein zu nehmen: das halbleere Bad, in dem kein Rasierer mehr stand, nur noch ein Festival von Lotionen, Badezusätzen und rosenfarbenen Seifen; die Werkstatt im Keller, leer wie am Tag

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