Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
paar Leuten ein schlechtes Gewissen eingetrichtert«, meldete sie. »Und ich werde Sie nicht fragen, was eigentlich los war.«
    Er dankte ihr und verriegelte die Tür, sobald sie wieder draußen war. Dann krachte sein Kopf auf den Schreibtisch nieder.
    Siebenmal blickte er an diesem Tag aus dem Fenster auf das Wheelock Inn. Aber er ging nicht hinüber, um nochmal nachzusehen; und allein aufgrund dieser mageren Tatsache hielt er auf dem Heimweg einen glimmenden, wachsenden Funken Stolz in seinen Händen.
    Der erste Zeuge der Anklage war Hugo Huntley.
    Audra lächelte ihm zu, als er sich auf dem harten Stuhl im Zeugenstand niederließ. Sie wartete geduldig, bis er seine Brille am Hemd saubergeputzt hatte. »Würden Sie bitte Ihren Namen und Ihre Adresse nennen!« forderte sie ihn auf.
    »Hugo Huntley.« Seine Stimme brachte das Mikrophon zum Pfeifen, deshalb lehnte er sich ein wenig zurück. »Vierzehnfünfzig Braemar Way, Wheelock, Massachusetts.«
    »Und womit bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt, Mr. Huntley?«
    »Ich leite das Bestattungsinstitut in Wheelock. Außerdem bin ich für die örtliche Polizei als Leichenbeschauer tätig.«
    Audra bat ihn, seinen beruflichen Werdegang zu schildern: College, Medizinstudium, Prüfung vor der Kammer für Leichenbeschauer.
    »Welche Pflichten obliegen Ihnen als Leichenbeschauer von Wheelock?«
    Hugo blähte den Brustkorb auf. »Ich untersuche Todesfälle, bei denen die Todesursache nicht bekannt ist oder bestätigt werden muß. Nötigenfalls führe ich eine Obduktion durch.«
    »Wie viele Obduktionen haben Sie insgesamt durchgeführt?«
    Er lächelte. »Eine ganze Menge, schätze ich. Ein paar Hundert. Manchmal wollen die Angehörigen einfach nur wissen, was am Ende den Ausschlag gegeben hat.«
    »Haben Sie im vergangenen September auch die Verstorbene obduziert?«
    Hugo nickte. »Ja, Madame!«
    »Und was stellten Sie als Todesursache fest?«
    »Erstickung.« Er beugte sich vor und schnaufte. »Um es kurz auszuführen, Sauerstoffmangel im Gehirn, der schließlich zu einem absoluten Herzstillstand führte.«
    »Ich verstehe. Konnten Sie berechnen, wann das Opfer gestorben war?«
    »Nur ungefähr«, gab Hugo zu. »Meiner Meinung nach zwischen sieben und zehn Uhr morgens.«
    Audra tigerte vor der Geschworenenbank auf und ab. »Haben Sie die Leiche auch äußerlich untersucht, Mr. Huntley?«
    Der kleine Mann nickte. »Natürlich. Das gehört zu einer Obduktion.«
    »Und was haben Sie gefunden?«
    Hugo blickte in seinen Schoß, als hätte er dort einen Spickzettel. »Abgesehen von einer Narbe nach einer kürzlich vollzogenen Brustamputation gab es keine sichtbaren Stauchungen oder Hautverletzungen, keine Brandmale, nichts Ungewöhnliches.«
    Audra hielt den Atem an. Mit offenen Fragen ließ sich ein Zeuge nicht lenken, und Huntley vergaß den allerwichtigsten Beweis. »Haben Sie auch die Hände untersucht?«
    Des Leichenbestatters Blick fuhr hoch und traf den der Staatsanwältin. »0 ja«, bestätigte er. »Das habe ich. Unter ihren Fingernägeln befanden sich Hautpartikel, die mit Proben von Jamie MacDonalds Haut übereinstimmten.«
    »Hatten Sie auch Gelegenheit, den Angeklagten kurz nach seinem Geständnis vor der Polizei zu sehen?«
    Mr. Huntley schluckte. »Jawohl.«
    »Ist Ihnen dabei etwas Ungewöhnliches an ihm aufgefallen?«
    »Auf seiner Wange waren Kratzer – auf der rechten!«
    »Was haben Sie in Ihrem Bericht daraus geschlossen?«
    Hugo sah kurz zu Jamie hinüber und ließ seinen Blick dann abgleiten. »Daß es möglicherweise zu einem Kampf gekommen war.«
    Audra warf ihren französischen Zopf zurück. »Ihr Zeuge«, sagte sie und klopfte im Vorbeigehen mit dem Finger auf das Pult der Verteidigung.
    Graham blieb sitzen, als hätte er alle Zeit der Welt und würde eben mit Hugo hinten auf der Veranda ein Plauderstündchen einlegen. »Mr. Huntley«, sagte er, die Beine übereinandergeschlagen, einen Arm über die Lehne des freien Stuhls zu seiner Rechten gelegt, »haben Sie schon einmal in einer Verhandlung ausgesagt?«
    »In einer«, lautete die Antwort. »Wie sich herausstellte, handelte es sich um einen Selbstmord.«
    Graham erhob sich geschmeidig. »Sie werden also nicht oft in einem Mordprozeß als Zeuge berufen?«
    »O nein, ganz und gar nicht. Solche Sachen passieren in Wheelock nicht oft.«
    »Wofür wir bestimmt alle sehr dankbar sind«, sagte Graham und hörte im Hintergrund ein ersticktes Kichern von der Geschworenenbank. »Wie viele Beerdigungen nehmen

Weitere Kostenlose Bücher