In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)
Einbruchdiebstahl, und sollte deshalb um zehn Uhr in Pittsfield sein. Eigentlich wollte er Mia nur rasch mitteilen, daß er Allie gegenüber geschwiegen hatte, weil es zu spät gewesen war. Daß er gleich nach dem Seminar zu einem Anwalt gehen und heute abend mit Allie sprechen wollte. Er war gekommen, um sie lächeln zu sehen und um sie in die Arme zu nehmen, so daß die Anziehungskraft sie wie ein Laserstrahl verband und er den ganzen Tag von dem Wärmeeffekt zehren konnte.
Mit dem Schlüssel, den Mia ihm gegeben hatte, öffnete er die Tür zu dem winzigen Raum neben der Putzkammer. Alles war sauber und auffallend frei von persönlichen Dingen. Bis auf das ungemachte Bett, das immer noch nach Sex roch, und den Bonsai in der Mitte.
Zwei Kissen klemmten ihn ein, damit keine Erde auf die Laken gelangte. Das Bild traf ihn mit einer größeren Wucht, als jede Nachricht es vermocht hätte, weshalb sie den Baum so zurückgelassen hatte.
Zurückgelassen …
Noch während er hinsah, begann sich der Bonsai zu winden. Er war nicht mehr in Kupferdraht gewickelt, sondern im Lauf der Zeit in seiner unnatürlichen Form steckengeblieben. Mit offenem Mund beobachtete Cam, wie sich der Stamm jetzt teilte und weitete. Der Ast, der horizontal und dann nach unten vom Stamm wegführte, spannte sich an wie ein Bizeps und drehte sich plötzlich der Sonne zu. Die freiliegenden Wurzeln bohrten sich tief in den Behälter, und aus den gekappten, zusammengestutzten Knospen begannen wachsig grüne Blätter zu sprießen.
Der Baum, der nun kein Bonsai mehr war, begann so zu wachsen, wie es die Natur beabsichtigt hatte.
Cam sank gegen die Wand des Zimmers, in dem er so rasend geliebt hatte, und begriff, daß es diesmal keinen Besuch bei Bally Beene, keine Verfolgung Mias quer durchs Land geben würde.
Der Baum schmückte sich mit Girlanden rosafarbener Blüten.
Und es gab kein Zurück.
Um 9 Uhr 05 stand Allie im Glory in the Flower vor dem Blumenbänkchen mit den Bonsaibäumen und beobachtete gebannt, wie sie sich aus ihrem Kupferdraht befreiten. Wie schlüpfende Küken sträubten und streckten sich die Äste und sprengten dabei die einengenden Schlaufen, bis sie wieder so dastanden wie vor Monaten, als Mia und Allie sie aus der Baumschule geholt hatten.
Allie war gekommen, um sicherzustellen, daß ihre Mitarbeiterin nicht hier war;, daß sie nie wieder hier sein würde. Während der Fahrt ins Ortszentrum hatte sie alle möglichen Szenen durchgespielt. Sie würde in den Laden stürmen und Mia anbrüllen, verdammt noch mal auf der Stelle aus ihrem Leben zu verschwinden. Sie würde zuckersüß mit ihr plaudern und ganz normal zu arbeiten anfangen, um dann, wenn Mia es am wenigsten erwartete, die Bombe platzen zu lassen, daß sie alles wußte. Sie würde ihr ein Wochengehalt zusätzlich zahlen und sie einfach hinauswerfen.
Ihr Zorn hatte sich nicht gelegt. Im Gegenteil, so geladen hatte sich Allie schon lange, lange nicht mehr gefühlt.
Doch die Bonsais unter dem Fenster hatten sie abgelenkt. Sie zogen Allie so in Bann, daß ihr im ersten Moment die Geranien entgangen waren, die Mia aus ihren Töpfen gerissen hatte, um sie überall auf dem Boden, dem Arbeitstisch, der Ladentheke zu verstreuen.
Die Blüten waren kräftig malvenfarben und lila, rosa, rot und weiß. Sie blieben an Allies Schuhsohlen kleben und hefteten sich an den Aufschlag ihrer langen Hose. Geranien bedeuteten: Ich werde ihn nie wiedersehen.
Bis sie das ›Geschlossen‹-Schild in die Tür gehängt und leere Kartons aus dem Getränkemarkt geholt hatte, war der Schnee beinahe geschmolzen. Überall spitzte das Gras heraus; nur ein paar übriggebliebene weiße Flecken erinnerten Allie daran, daß es Winter war. Äußerst bedächtig sichtete sie den Vormittag über alles, was ihr Mann besaß, bis sie schließlich jede Spur von ihm im Haus getilgt hatte. Seine Schuhe und Bücher, seine Angeln und Elektrowerkzeuge stellte sie draußen auf die umgedrehten Kartons, die sie entlang der Einfahrt aufgereiht hatte; dann setzte sie sich mit einer Geldkassette unter eine behelfsmäßige Wäscheleine, an der seine Uniformen, seine Freizeitkleidung und das besagte Sportsakko hingen.
Bei gutem Wetter waren private Flohmärkte besonders gut besucht.
Allie handelte und feilschte, wobei ihr mehr daran lag, ihre Ware loszuwerden, als einen bestimmten Betrag zu erzielen. Sie bat die Einkaufenden, auch ihre Freunde vorbeizuschicken, machte Sonderangebote: zwei zum Preis von einem bei den
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