In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)
klatschend aufgeschlagen und über die Leiche gebreitet wurde. »Meine wissenschaftliche Vermutung lautet auf Tod durch Asphyxlation. Ersticken.«
Allie schüttelte den Kopf, um das Bild von Jamie MacDonald loszuwerden, der sich über seine Frau warf, ehe Zandy sie berühren konnte. »Wieso sollte man jemanden ersticken, den man liebt?« fragte sie leise.
Hugo legte ihr die Hand auf den Arm. »Vielleicht weil sie es so wollte«, sagte er. Er führte Allie zum Einbalsamierungstisch und deutete auf ein paar winzige Tätowierungen auf Maggies Gesicht, die wie Kugelschreiberpunkte aussahen. »Die weisen auf eine Strahlentherapie hin«, erklärte er. »Im Auge sind Krebsmetastasen.«
Und dann zog er eine Ecke des Lakens weg und legte Schwielen und Narben in zornig roten Zacken frei, wo einst Maggie MacDonalds Brust gewesen war.
»Bist du bereit?«
Als er Cams Stimme hörte, drehte sich Jamie um. Er hatte bereits die obere Hälfte der freiwilligen Aussage unterzeichnet und damit bekundet, daß man ihn über das Recht aufgeklärt hatte, zu warten, bis er einen Anwalt hatte; doch das lag nicht in seiner Absicht. Er wußte, daß er bestraft werden würde; er wollte es möglichst bald hinter sich bringen. Die Handschellen hatte man ihm schon vor einer Stunde abgenommen, als die Sekretärin einen Kaffee servierte. Währenddessen hatte er darauf gewartet, daß Cam das Tonbandgerät im Vernehmungsraum installierte. Jetzt stand er vor dem hübschesten Herbstblumenstrauß, den er je gesehen hatte.
Es waren rote, lila und staubiggelbe Blüten – und die verschiedenen Farnwedel schaukelten dazwischen wie vom Baum fallende Blätter. Er starrte das Arrangement unverwandt an und sann darüber nach, wie voll und warm die Farben wirkten; im nächsten Moment sah es dann so aus, als würden sie von ihrer eigenen Schönheit zu Boden gezogen.
Jamie wandte sich an Cam. »Ich habe noch nie eine Polizeistation mit Blumen erlebt.«
Cam sah auf den Strauß. »Meine Frau bringt sie. Sie hat einen Laden hier und stiftet uns jede Woche was Grünes.« Er beobachtete, wie Jamie die dünnen Blütenblätter einer Lilie betastete und sie vorsichtig zerrieb, bis Cam sogar am anderen Ende des Raums den leichten Regenduft wahrnahm.
»Liebst du sie?«
Cam machte einen Schritt zurück. »Meine Frau? Natürlich.«
»Wie sehr?«
Cam erlaubte sich ein winziges Lächeln. »Gibt es da einen Gradmesser?«
Jamie zuckte mit den Achseln. »Das frage ich dich. Was würdest du für sie tun? Würdest du für sie lügen? Stehlen? Töten?«
»Nein«, erwiderte Cam knapp. Er zog Jamie abrupt von den Blumen weg, so daß die Lilie zu Boden fiel und unter seinem Stiefelabsatz zerquetscht wurde. »Gehen wir!«
Es begann vor fast zwei Jahren, als wir zum Eislaufen wollten. Maggie war toll auf Schlittschuhen; sie konnte kleine Axels und Pirouetten drehen und beeindruckte damit die Kids enorm, die zum Eishockeyspielen an den Teich kamen. Ich war Torwart und spürte jedes einzelne meiner vierunddreißig Jahre, wenn ich die Schüsse dieser Jungs aus der High-School abwehrte. Sobald der Puck vor dem gegnerischen Tor war, schaute ich nach rechts, um mitzubekommen, was Maggie gerade tat.
Es war reiner Zufall, daß ich sie fallen sah. Zu blöd, sagte sie, als ich übers Eis zu ihr hinüberschoß. Ein aus dem Eis ragender Zweig, der sich in ihrer Kufe verfangen hatte! Doch sie konnte nicht aufstehen; sie meinte, im Fallen etwas knacken gehört zu haben. Wir liehen uns von einem kleinen Mädchen einen Schlitten, auf dem ich sie den Hügel hochzog, und obwohl sie vor Schmerz heulte, schaffte sie es, einen Witz darüber zu machen, daß wir uns doch nächstes Jahr für die Hundeschlitten-Weltmeisterschaft bewerben sollten.
Man zeigte mir ihre Röntgenbilder, nicht nur den sauberen Bruch am Fußgelenk, sondern auch die kleinen, wie ausgefressenen Löcher in der weißen Fläche. Läsionen, sagten sie. Krebs, der in den Knochen metastasiert …
Als sie den Haupttumor gefunden hatten, amputierten sie ihr die Brust und die Lymphknoten. Sie machten Tomographien, nahmen Gewebeproben, schickten nach Östrogenrezeptoren.
Eine Weile blieb der Krebs ruhig, dann meldete er sich zurück, diesmal in ihrem Hirn. Oft hielt sie meine Hand und versuchte, die roten Blitzlichter zu beschreiben, die weichen Ränder ihres immer enger werdenden Blickfeldes, während der Tumor an ihrem optischen Nerv fraß.
Der Arzt meinte, man könne nur raten. Es sei eine Frage der Zeit, aber unmöglich im
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