Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
Kühlregals zu öffnen, so als könnte das Böse daraus in die Welt entweichen wie einst aus Pandoras Büchse.
    Als das Telefon klingelte, zuckte sie zusammen. »Hallo«, sagte sie, » Glory in the Flower. « Sie rechnete damit, daß es Allie war, die nachprüfen wollte, ob Mia pünktlich den Laden ohne irgendwelche Katastrophen geöffnet hatte; doch noch während ihr dieser Gedanke durch den Kopf ging, begriff sie, daß das nicht Allies Art war. Allie würde ihr einfach vertrauen, gleichgültig, ob Mia das verdiente oder nicht.
    »O Antonio!« Sie entspannte sich, als sie die Stimme eines Großhändlers erkannte. Ihr Blick überflog die Nägel, die in gleichmäßigen Abständen aus dem Regal über ihren Augen ragten, jeder mit einem Wochentag und den jeweils fälligen Bestellungen gespickt. »Ich brauche Jacaranda«, orderte sie, »und etwas Baumfarn.« Allie hatte ihr eingebläut, soviel wie möglich bei Antonio zu bestellen; seine Preise waren zwar etwas höher als die der Konkurrenz, doch seine Ware auch immer frisch.
    Sie feilschte um den Preis für die Storchschnäbel, einigte sich schließlich mit ihm auf vier Dollar fünfundsiebzig pro Bund und erklärte ihm, daß sie die lila ›Washington State‹-Tulpen gerne mal anschauen würde. Dann legte sie auf, schloß die Augen und lauschte.
    Die Stille machte Geräusche, pulsierte durch die Klimaanlage des Geschäfts. Und wenn sie das Kühlregal einen Spalt weit offen stehen ließe, würde sie bestimmt das Rascheln der seidigen Rosen hören, die ihre Knospen öffneten.
    Mia sah zum Schaufenster hinüber. Allie hatte ihren Bonsaibaum auf einen niedrigen Tisch auf der anderen Seite des Raumes gestellt, neben sieben weiteren Bäumchen, die sie mit Draht umwickelt hatten, in der Hoffnung, sie irgendwann zu verkaufen. Lächelnd durchquerte Mia den Laden, wand den Draht von Allies Baum, damit er nicht zu tief in die Rinde schnitt, und lauschte, wie die Wurzeln und das Holzmark in der frisch gewonnenen Freiheit seufzten. »Es tut mir leid«, sagte sie, während sie sorgfältig den Kupferdraht wieder anlegte. »Ihr müßt noch ein bißchen aushalten.« Sie wiederholte den Vorgang bei einigen anderen Exemplaren; dann schnitt sie Zweige und Äste nach, wo Allie ihrer Meinung nach den zukünftigen Wuchs unterschätzt hatte. Schließlich setzte sie sich auf das Sofa, das quer zur Ladenfront stand.
    Es gab hundert verschiedene Dinge zu tun; leider hatte Allie ihr diese verfluchte Liste dagelassen, obwohl Mia einfach nur die Augen schließen und an Cam denken wollte. Sie wußte, daß sie ihm Bescheid geben mußte, wohin sie mit ihm Kaffee trinken gehen würde; doch sie hielt es nicht für klug, in die Polizeistation zu spazieren, wo der ganze Ort ihnen zuschaute. Nicht daß sie irgend etwas Ungehöriges taten. Ein Kaffee war schließlich nur ein Kaffee. Und Allie hatte Mia gebeten, auf Cam aufzupassen!
    Sie ging ans Kühlregal und nahm ein Bündel traurig dreinblickender Stiefmütterchen und empfindlicher Apfelblüten heraus. Die Blumenstengel verteilte sie rund um den Apfelzweig und machte sie mit einem golddurchschossenen Band fest. Dann rannte sie, nachdem sie das Schild ›Geschlossen‹ ins Fenster gehängt hatte, die Straße hinunter zum Revier und klemmte das winzige Bukett unter den Scheibenwischer des Zivilstreifenwagens, den sie als Cams erkannte.
    Als Mia wieder im Geschäft ankam, war sie außer Atem, und ihr Puls raste nicht nur wegen der körperlichen Anstrengung. Sie setzte sich wieder auf die Couch und starrte auf die vielen Blütenblätter, die abgefallen waren, als sie das Sträußchen gewunden hatte.
    Irgendwie wußte sie, daß Cam es begriff.
    Stiefmütterchen bedeuteten Ich denke an dich. Und Äpfel standen seit Adam und Eva für Versuchung.
    Allie fuhr nicht gleich zu Jamie MacDonalds Haus. Statt dessen hielt sie erst vor der Praxis von Dr. Dascomb Wharton, dem Hausarzt, der Maggie seit Ausbruch der Krankheit 1993 betreut hatte.
    Ohne Termin mußte sie natürlich warten, und zwar auf einem angeknacksten schwarzen Bistrostuhl, wo sie eine Zeitschrift aus der Epoche des Golfkriegs las. Ab und zu, wenn sie merkte, daß die Arzthelferin herüberschaute, warf sie einen Blick auf ihre Uhr.
    Zwei Stunden nach ihrem Eintreffen wurde sie durch etliche gewundene Gänge in Dr. Whartons Privatreich geführt.
    Der Arzt war ein furchteinflößender Zottelbär, der offenbar zu spät von den Gefahren des Cholesterins erfahren hatte. Als Allie die Tür aufdrückte,

Weitere Kostenlose Bücher