In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)
erklärte sie mit hoher, dünner Stimme, »muß eine Frau einen Mann dazu kriegen, daß er Basilikum aus ihrer Hand nimmt, dann wird er ihr bis an sein Lebensende treu bleiben.« Plötzlich sackte sie gegen das Kühlregal, als würden ihr die Knie den Dienst verweigern. Sie schlug die Hände vors Gesicht. »O Gott«, wimmerte sie, »o Gott!«
Cam zog sie in seine Arme und hielt sie, bis alles Spröde aus ihrer Haltung gewichen war und sie schluchzend an ihm lehnte. »Psst«, flüsterte er in ihr Haar. Sein Blick fiel auf das Basilikum, das verloren auf der Sofalehne lag. »Psst.«
Jamie MacDonald wohnte in einem bescheidenen Haus im Kolonialstil nördlich des Dorfteichs von Cummington. Die Fassade war weiß gestrichen, und von den schwarzen Fensterläden begann bereits die Farbe abzublättern. Als Allie ihren Wagen in die Einfahrt lenkte und den Motor abstellte, winkte ihr ein Nachbar zu, als würde sie erwartet.
An der Haustür hing ein hübscher Kranz. Korkenzieherweide war zu einem Herz gebogen worden, und durch die Windungen hatte man getrocknete rote und weiße Rosen gezogen. Allie fischte Jamies Hausschlüssel aus ihrer Tasche und schloß auf.
Im Haus war es sauber und sehr ruhig. Allie wußte von Jamie, daß er und Maggie überstürzt aus Cummington abgereist waren, doch nirgendwo lag Staub, und auf dem Lackparkett im Hausgang waren weder dreckige Stiefelabdrücke noch schwarze Absatzspuren zu sehen. Die Luft roch nach Zitronenwachs, Immergrün und noch etwas, das Allie nicht genau benennen konnte – das aber sicher etwas mit Maggie zu tun hatte.
»So«, sagte sie laut und eigentlich vor allem, um zu hören, wie ihre Stimme in einem fremden Heim klang, »an die Arbeit.« Sie hängte ihren Mantel über den Knauf am Treppengeländer und zog Jamies Liste aus der hinteren Jeanstasche. »Die Akten sind im Arbeitszimmer«, las sie und streckte den Kopf durch die erste Tür auf der rechten Seite.
Es war ein Eßzimmer mit einem riesigen ovalen Kirschholztisch und einem irischen Spitzenläufer. Mitten auf dem Tisch stand ein überdimensionaler Zinnpokal voller knubbliger Wachstrauben. Vom Eßzimmer aus gelangte sie ins Wohnzimmer, wo das leere schwarze Auge des Fernsehers sie anstarrte und die Kuhlen auf der Couch ihr verrieten, daß Maggie und Jamie gern nebeneinander saßen.
Ich hätte Detektivin werden sollen, dachte sie, als sie die hundert Dinge auflistete, die sie nun bereits von Jamie und seiner Frau wußte, einfach indem sie ein paar Zimmer ihres Hauses durchquerte. Sie ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank, rümpfte die Nase, goß die saure Milch in den Ausguß und warf dann das angeschimmelte Brot in den Mülleimer. Hierauf entdeckte sie das Arbeitszimmer.
Es war in europäischem Blau gestrichen, und an einer Wand standen uralte vergilbte Bücher, die zu lesen unmöglich jemand die Geduld aufbringen konnte, davon war Allie überzeugt. Es gab zwei Schreibtische: zum einen die breite, leicht geneigte Arbeitsplatte eines Architekten, zum anderen ein schlichtes Eichenmöbel voller Schubladen. Allie nahm sich zuerst den Zeichentisch vor. Jamie hatte erwähnt, daß Maggie Illustratorin war oder gewesen war, bevor sie nicht mehr arbeiten kannte. Zwar sah sie keine halbfertigen Blätter auf der Platte festgepinnt; dafür lagen jedoch in einer kleinen Schale mit Mickymaus-Gesicht Marker in allen Farben von Allie vertrauten Elementen: Salbei und Limone, Honig und Muschelrosa; Himmelblau und Aubergine, Topas und Elfenbein. Allie nahm die Marker heraus, rollte sie zwischen ihren Händen und verzichtete nur mit Mühe darauf, einen Regenbogen zu zeichnen.
An einer Ecke des weißen Schreibtisches war ein Foto von Jamie und Maggie festgeklemmt. Allie betrachtete es näher, fasziniert von dem dynamischen Lächeln auf Maggies Mund und dem Leuchten in ihren Augen. Jamies Arm lag um ihre Schulter, und sein Gesicht erschien im Profil, weil er ihr gerade einen Kuß auf die Wange drückte.
Allie legte den Finger auf die Stelle in Maggies Wange, die Jamie küßte, und führte ihn dann an den Mund. Mit einem Anflug von schlechtem Gewissen zog sie das Foto aus der Halterung und steckte es in die Tasche ihrer Chamoisbluse.
In Jamies Schreibtisch befanden sich die Rechnungen und die Steuererklärungen. Sie entdeckte die feuerfeste Kassette unter der rechten Schublade, genau wie er es beschrieben hatte. Der Schlüssel steckte bereits im Schloß; sie brauchte ihn nur umzudrehen, um die Heiratsurkunde, ihre Pässe, die
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