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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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physischen Merkmale von Maggies Körper in den Computer übertragen wurden, glommen auf, legten sich als gerader Strich längs über ihr Gesicht. »Nicht bewegen«, sagte er. »Los geht's!«
    Er beobachtete, wie der Lichtstrahl den Körper seiner Frau abtastete, wie er über ihre Brust und ihren flachen Bauch bis zu ihrem Arm und dem angewinkelten Ellbogen glitt. Der Laser rotierte auf seiner Achse und erglühte zwischen ihren Schulterblättern.
    Jetzt wandte sich Jamie dem Computerbildschirm zu. Wie bei einem Polaroidfoto erschien Maggies Abbild Stück für Stück. Ihre Augen blinzelten aus dem Bildschirm heraus, ihre Hände materialisierten sich links und rechts von ihr. Ihre Beine, im ersten Augenblick unheimlich verkürzt an den Knien, sprangen in einem Regen von bunten Punkten in ihre richtige Position. »Okay«, sagte er. »Jetzt steh auf.«
    Er wollte sich noch bei arbeitendem Laser davon überzeugen, daß die Koordinaten stimmten. »Heb den rechten Arm«, befahl Jamie, und als Maggie es tat, wiederholte ihr Computerbild die Bewegung. »Leg eine Hand auf die Hüfte. Dreh dich im Kreis.« Jede Bewegung wurde auch von ihrem Prototyp ausgeführt. Es lief wie am Schnürchen.
    Er beobachtete auf dem Bildschirm, wie Maggie die Hände an ihr Haar legte und über ihren Körper strich. Jamie hielt eine Hand vor den Bildschirm; Maggie war so klein, daß sie in seine Handfläche passen würde, daß er sie in seiner Hosentasche herumtragen oder sie wie ein seltenes Kunstobjekt aufs Regal stellen könnte. »Wie ist es?« fragte sie, und die stummen Lippen auf dem Bildschirm bewegten sich unter den stummen Worten, als wollte sie ihn küssen.
    Jamie starrte Maggies Körper auf dem Bildschirm an, der immer jung und fest und gesund bleiben würde, egal, wie oft man das Programm startete, und ganz gleich, wie alt sie beide in Wahrheit waren. »Perfekt«, lobte er.
    Das Glory in the Flower war so eingerichtet, daß es wie ein Wohnzimmer an einem verregneten Herbstnachmittag aussah. Statt langer Tische voller Trockenblumengestecke und Kräuterkränze hatte Allie mitten im Laden zwei riesige Plüschsofas aufgestellt. Es gab ein Beistelltischchen, auf dem neben einigen Zeitschriften und einem kleinen Teeservice jeden Tag ein frischer Strauß stand. Daß man in einem Blumenladen war, zeigte sich nur an unerwarteten Details: an dem Efeu, der sich um die dicke Lehne und den Fuß des Sofas wand, an der Schale mit Rosenblättern neben dem Milchkännchen und dem Zucker, an dem Lampenschirm an der Decke, der ganz und gar aus getrockneten Primeln und Stroh in vollen, glänzenden Farben gefertigt war.
    Hinten im Laden standen das Kühlregal und der Arbeitstisch, wo Allie die meisten ihrer Sträuße fertigte, mitten im hellen Sonnenlicht, das durch ein Deckenfenster hereinfiel. Hinter einer chinesischen Wand befanden sich der Lagerraum sowie Regale voller Metallfollen und Stoffe, eine Palette von Schleifen, dazu Vogelkäfige, Körbe und Brokat-Hutschachteln, die alle als Blumenbehälter Verwendung fanden.
    Als erstes ging Mia ans Kühlregal und stellte ihr Mittagessen – Joghurt – neben einen großen schwarzen Korb mit Persimonenrosen. Dann schlüpfte sie aus dem Mantel und legte ihn auf den Bürostuhl im Lagerraum. Gedankenversunken überflog sie ihr Arbeitsmaterial: Bast, grüner Draht, Scheren, Blattspray, Blumenband und riesige Schachteln mit Moos und Steckschaum.
    Erst am Tag zuvor war ihr aufgegangen, nach welchem System Allie ihre Blumen ordnete. Im Kühlregal standen die Blumen nicht nach Verfügbarkeit oder Beliebtheit sortiert, nicht einmal nach Farben, sondern nach ihrer Bedeutung. Sie wußte, daß Buketts einst nicht nur als dekorativer Schmuck, sondern als Botschaften übersandt wurden. Als Mia angefangen hatte, sich für die Ausbildung zur Floristin zu interessieren, hatte sie diese Philosophie fasziniert – Allie offenbar desgleichen. Die Blumen mit positiven Eigenschaften hatte sie auf der linken Seite des Kühlregals gesammelt, jene, denen Negatives zugeschrieben wurde, auf der rechten. So standen Jasmin und blauer Flieder, Kamelien und Passionsblumen – die für Anmut, erste Liebe, Vollkommenheit und Treue standen – beieinander in praktischen schwarzen Floristenkörben. Akanthus, Krokus, Stechapfel und Pfingstrosen hingegen waren in ihrer Schmach auf der anderen Seite zusammengefaßt, denn sie symbolisierten Verschlagenheit, Entehrung, Neid und Schande.
    Mia fürchtete sich fast davor, die rechte Seite des

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