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In einer Winternacht

In einer Winternacht

Titel: In einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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jeder X-Beliebige es einfach mitnehmen kann«, hatte der Polizeichef festgestellt. »Als die Mutter das Kind aussetzte, wurde es zum städtischen Mündel, und die Stadt New York will das Baby zurückhaben. Ich hoffe, daß jede Person, die eine Vermutung hat, wo sich das Kind inzwischen aufhalten könnte, sich sofort bei den Behörden meldet. Ich sichere dem Anrufer absolute Diskretion zu, und auch die Übergabe der Belohnung wird vertraulich behandelt.«
    Und noch etwas fiel Lenny an diesem Dienstagmorgen ein, als er Zucker und heiße Milch in die Kaffeetasse seiner Tante rührte. Mit Lillys Gesundheit ging es immer weiter bergab. In den letzten Tagen war sie kaum aus dem Bett aufgestanden. Er wußte, daß sofort ein Sozialarbeiter bei ihm vorsprechen würde, wenn Lilly ins Krankenhaus kam und dort Star erwähnte.
    Als er Lillys Zimmer betrat, hatte sie die Augen geschlossen. Doch sie hörte seine Schritte und sah ihn an. »Lenny, ich fühle mich gar nicht wohl«, sagte sie. »Aber wenn ich zum Arzt gehe, steckt er mich ins Krankenhaus. Ich will so gerne sehen, wie Stellina beim Krippenspiel die heilige Jungfrau spielt, und möchte das mit dem Krankenhaus deshalb lieber noch ein wenig hinausschieben. Doch wenn ich wirklich ins Krankenhaus muß, soll Stellina bei Gracie Nuñez bleiben, bis ich wieder rauskomme. Versprichst du mir das?«
    Lenny wußte, daß das Krippenspiel am nächsten Montagnachmittag stattfinden sollte, am 21. Dezember, dem Tag seines großen Coups. Außerdem war ihm klar, daß Lilly viel zu krank war, um dabeizusein. Aber wenn sie lange genug durchhielt und sich erst danach ins Krankenhaus einweisen ließ, waren seine Probleme gelöst. Nachdem er seinen Auftrag erledigt hatte, würde er Lilly überreden, ins Krankenhaus zu gehen, damit sie aus dem Weg war. Star und er würden dann gegen Mitternacht abfahren. Sie ist mein Glücksstern, dachte Lenny. Ich will sie bei mir behalten.
    Vorsichtig stellte er die Kaffeetasse auf das wackelige Nachtkästchen. »Ich werde mich um dich kümmern, Tante Lilly«, versprach er. »Es wird Stellina das Herz brechen, wenn du sie nicht in dem hübschen Kostüm siehst, das du für sie genäht hast. Und ich bin ganz deiner Ansicht: Wenn du ins Krankenhaus mußt, ist es besser, sie wohnt bis zu deiner Rückkehr bei Mrs. Nuñez. Ich muß schließlich arbeiten, und ich möchte nicht, daß sie den ganzen Tag allein ist.«
    Dankbar lächelte Lilly ihn an. »Grazie, Lenny, grazie «, murmelte sie schwach und tätschelte seine Hand.
Das weiße Gewand und der blaue Schleier hingen an einem Kleiderbügel am Garderobenständer neben der Kommode. Als Lenny sie ansah, wehte eine leichte Brise durchs angelehnte Fenster hinein und ließ den Schleier flattern, so daß er den Kelch auf der Kommode streifte.
Wieder eine Warnung, dachte Lenny. In dem Artikel im Globe hatte nämlich ausdrücklich gestanden, daß die Polizei vor sieben Jahren wegen eines Kirchendiebstahls in St. Clement gewesen war.
Am liebsten hätte Lenny sich den Kelch geschnappt und ihn beseitigt, aber er wußte, daß er das nicht riskieren durfte. Wenn der Kelch verschwand, würde Lilly ein Riesentheater veranstalten, und Star würde es allen ihren Freunden erzählen.
Nein, der Kelch mußte warten. Wenigstens fürs erste. Nachdem er und Star dieses Land verlassen hatten, stand eines fest: Der Kelch würde auf dem Grunde des Rio Grande landen.

S
    ondra konnte es nicht mehr ertragen, die Zeitung zu lesen, fernzusehen oder Radio zu hören. Alvirahs Artikel über das Baby hatte ein Echo in den Medien zur Folge gehabt, das ihr die Schamesröte in die Wangen trieb.
    Als sie am Montagmorgen etwas in ihrem Koffer gesucht hatte, hatte sie ein ungeöffnetes Röhrchen Schlaftabletten gefunden, das ihr der Arzt einmal gegen ihre Einschlafschwierigkeiten verschrieben hatte. Sie hatte noch nie eine davon eingenommen, da sie sich diesem Problem stellen und nicht zu Hilfsmitteln greifen wollte. Doch am Montag wußte sie, daß ihr keine andere Wahl blieb. Sie mußte endlich wieder einmal durchschlafen.
    Als sie am Dienstagmorgen um acht aufwachte, waren ihre Wangen tränennaß, und sie erinnerte sich, daß sie in ihren wirren und beängstigenden Träumen geweint hatte. Sie fühlte sich benommen und schläfrig, und es dauerte eine Weile, bis sie sich aufsetzen konnte. Zögernd streckte sie die Beine über die Bettkante.
    In den ersten Sekunden schien sich das Hotelzimmer um sie zu drehen. Die geblümten Vorhänge verschwammen mit dem

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