In einer Winternacht
Sie sich als Kontaktadresse zur Verfügung stellen.«
»Zuerst möchte ich den Artikel sehen«, erwiderte Ferris zögernd.
»Natürlich. Wir freuen uns wirklich über Ihre Mitarbeit, und es tut mir leid, daß ich Sie damit belästigen muß. Doch ich hoffe, daß wir durch den Artikel und die Belohnung eine Menge Reaktionen bekommen. Wir möchten das kleine Mädchen finden, und indem wir den Namen der Mutter nicht verraten, verhindern wir, daß irgendein Moralapostel ein Exempel an ihr statuiert und sie wegen Vernachlässigung der elterlichen Sorgepflicht oder Kindesmißhandlung festnimmt. Und es ist besser, wenn auch Sie nicht wissen, wer sie ist.«
»Das muß ich mir überlegen«, sagte Ferris.
»Mich kann man nicht zwingen, ihre Identität preiszugeben«, erklärte Alvirah weiter. »Wenn ich verhört werde, berufe ich mich auf meine Schweigepflicht als Journalistin.«
Auch ich müßte nicht aussagen, dachte Ferris. Denn mit der Schweigepflicht des Priesters, der die Beichte abnimmt, darf man kein Schindluder treiben.
»Warten Sie, Alvirah. Sie sagten, es sei vor genau sieben Jahren passiert. Sprechen Sie von der Nacht, in der der Kelch gestohlen wurde? Wurde das Baby in dieser Nacht ausgesetzt?«
»Offenbar. Als die Mutter im Pfarrhaus anrief, ging ein alter Priester an den Apparat. Sie wollte mit Ihnen reden, und er erklärte ihr, Sie seien draußen bei der Polizei, weil etwas vorgefallen sei. Also glaubte sie, Sie hätten das Baby bereits entdeckt.«
Monsignore Ferris faßte einen Entschluß. »Schreiben Sie ihren Artikel, Alvirah. Ich werde Ihnen helfen.«
Nachdenklich legte Monsignore Ferris den Hörer auf. War es möglich, daß die Person, die das Baby mitgenommen hatte, auch dem Dieb begegnet war, als dieser die Kirche verließ? Indem er der unglücklichen Mutter half, würde er vielleicht eine Antwort auf die quälende Frage finden, was mit dem Kelch geschehen war.
19
I
mmer wenn Kate Durkin Bessies Zimmer betrat, hatte sie eindeutig das Gefühl, daß etwas nicht stimmte. Aber bis jetzt war sie noch nicht dahintergekommen, was es war. Zermürbt von dem ständig bohrenden Zweifel, betete sie schließlich zum heiligen Antonius um Hilfe. Sie mußte unbedingt wissen, worum es sich handelte. Natürlich gestand sie dem Heiligen in
ihrem Gebet ein, daß sie ihn wie immer um Unterstützung in einer praktischen Frage bat – wie zum Beispiel nach dem Verbleib ihrer Brille, ihrer Handtasche oder ihres einzigen echten Schmuckstücks, des winzigen Diamanten in Tiffanyfassung, der den Verlobungsring ihrer Mutter geziert hatte…
Damals hatte der heilige Antonius zwei Wochen gebraucht, um sie daran zu erinnern, daß sie mit Bessie eine SeniorenBusreise nach Williamsburg unternommen und den Ring deshalb in einer leeren Aspirinflasche versteckt hatte.
»Siehst du, heiliger Antonius«, sagte Kate, während sie ordentlich gefaltete Unterwäschestücke in einem Karton verstaute, der auf dem Bett stand. »Ich glaube wirklich, daß Alvirah recht hat. Die Bakers könnten es durchaus geschafft haben, Bessie hinters Licht zu führen, um mir dieses Haus abzuluchsen. Natürlich gibt es keine absolute Sicherheit, aber ich mache mir Sorgen. Denn jedesmal, wenn ich in dieses Zimmer komme und mir den Schreibtisch mit Bessies alter Schreibmaschine anschaue, gehen bei mir die roten Warnlämpchen an.«
Kate entdeckte eine Laufmasche in einem zusammengefalteten Paar Strümpfe. »Die arme Bessie«, seufzte sie. »Ihre Augen wurden immer schlechter, aber sie weigerte sich, mit mir zum Optiker zu gehen. Sie fand, eine neue Brille sei Geldverschwendung, weil sie das Weihnachtsfest ohnehin nicht mehr erleben würde.«
Nun, diese Einschätzung war richtig gewesen, dachte Kate traurig, während sie die nächste Schublade aufzog und die Flanellnachthemden herausholte, in denen Bessie immer geschlafen hatte. »Du meine Güte«, murmelte sie. »Die arme Bessie hat es offenbar zurückgelegt und vergessen, daß es bereits getragen war.« Kopfschüttelnd wischte sie mit der Hand über den Puderrest am Spitzenkragen des rosageblümten Nachthemdes. »Ich werde es vor dem Einpacken waschen«, sagte sie sich. »Das würde Bessie sicher freuen.«
Wieder schüttelte sie den Kopf. Nein, eigentlich ist es nicht weiter überraschend, daß sie es anprobiert und gleich wieder ausgezogen hat, überlegte sie weiter. Bessie konnte Spitzen nicht ausstehen, sie fand, daß sie am Hals kratzten. Aber komisch ist es doch, daß sie es überhaupt herausgenommen
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