In einer Winternacht
hat.
Sie hielt das Nachthemd noch immer in der Hand, als sie ein Geräusch hörte und sich umdrehte. Wieder einmal stand Vic Baker in der Tür und beobachtete sie. »Ich packe die Kleider meiner Schwester zusammen, um sie einer Wohltätigkeitsorganisation zu schenken«, meinte Kate kühl. »Außer Sie und Ihre Frau erheben auch Anspruch auf ihre Nachthemden.«
Ohne zu antworten, machte Vic auf dem Absatz kehrt. Der Mann ängstigt mich, dachte Kate. Er hat etwas an sich, das mir nicht geheuer ist. Ich kann es kaum erwarten auszuziehen.
Als sie am Abend die Waschmaschine anstellen wollte, bemerkte sie zu ihrer Überraschung, daß sich Bessies rosageblümtes Nachthemd nicht mehr in dem kleinen Haufen Schmutzwäsche befand, den sie daneben abgelegt hatte.
Anscheinend läßt mein Verstand nach, sagte sich Kate. Ich hätte schwören können, daß es vorhin noch da war. Nun denn, wahrscheinlich habe ich es doch schon eingepackt. Und jetzt muß ich all die dummen Kartons danach durchsuchen.
20
A
m Freitag, dem 11. Dezember, erschien Alvirahs Artikel über das Baby, das vor sieben Jahren auf der Vortreppe des Pfarrhauses von St. Clement ausgesetzt worden war, im New York Globe. Kaum hatten die druckfrischen Exemplare die Zeitungskioske erreicht, stand das Telefon im Pfarrhaus nicht mehr still. Monsignore Ferris hatte eigens einen neuen Anschluß einrichten lassen.
Seine langjährige Sekretärin nahm die Telefonate entgegen, teilte den Leuten mit, die Gespräche würden auf Band aufgezeichnet, und verband diejenigen, die offenbar etwas Interessantes zu berichten hatten, mit dem Monsignore. Doch als Ferris am Montagmorgen Alvirah anrief, klang er ziemlich bedrückt. »Bis jetzt haben sich mehr als zweihundert Leute gemeldet, doch keiner hatte etwas zu sagen, das uns weiterbringt«, meinte er. »Leider waren viele der Anrufer entrüstet und schimpften, sie hätten nicht das geringste Mitleid mit einer Frau, die ein Neugeborenes draußen in der Kälte zurückläßt, und sei es nur für ein paar Minuten.«
»War die Polizei schon bei Ihnen?« fragte Alvirah. »Eine Sachbearbeiterin vom Jugendamt hat mir einen Besuch abgestattet, und sie war gar nicht begeistert, das können Sie mir glauben. Nur eines wissen wir jetzt mit Sicherheit: Im fraglichen Zeitraum wurde kein totes oder ausgesetztes weibliches Baby in New York gefunden.«
»Wenigstens etwas«, seufzte Alvirah. »Ich bin so enttäuscht, daß wir nicht mehr erfahren haben. Und ich hielt es für so eine gute Idee.«
»Ich auch«, stimmte Monsignore Ferris zu. »Wie geht es der Mutter? Ich vermute nämlich, daß es sich um die junge Frau handelt, die in der letzten Woche so oft hier war.«
»Aber Sie können doch noch immer ehrlich antworten, Sie wüßten nicht, wer sie ist, oder etwa nicht?« erkundigte sich Alvirah besorgt. Wie immer nahm sie das Gespräch nur für alle Fälle auf Band auf. Schließlich kam es oft vor, daß man jemanden beim erstenmal nicht richtig verstand.
»Sie brauchen Ihr Mikrophon nicht abzuschalten, Alvirah. Ich weiß nicht, wer sie ist, und ich will es auch gar nicht wissen. Was ist das eigentlich für ein Gerücht, daß Sie eine Eigentumswohnung suchen?«
»Ich spüre meine Beine kaum noch«, gab Alvirah zu. »Die Gordons sind wirklich sehr nette Leute, aber ich muß Ihnen gestehen, Monsignore Tom, daß sie zwar fähige Immobilienmakler, aber nicht unbedingt Genies sind. Ich schwöre Ihnen, daß sie es wirklich aufrichtig glauben, wenn sie einen in eine Bruchbude führen und einem vorschwärmen, wie reizend die Wohnung doch sei. Und dann beteuern sie ganz aufgeregt, daß man das Loch für nur neunhunderttausend Dollar bekommen kann, obwohl der Besitzer eigentlich eins Komma zwei Millionen dafür will.«
»Immobilienmakler müssen begeistert von den Objekten sein, die sie anbieten, Alvirah«, meinte Monsignore Ferris nachsichtig. »In manchen Kreisen nennt man das Optimismus.«
»Nun, in ihrem Fall würde ich es eher als Tunnelblick bezeichnen«, entgegnete Alvirah. »Aber egal, nachher bin ich mit Eileen verabredet. Wir wollen uns eine Wohnung anschauen, von der aus man eine wundervolle Aussicht auf den Central Park hat. Ich freue mich schon riesig darauf. Danach besuche ich Kate und versuche, sie ein wenig aufzuheitern.«
»Hoffentlich gelingt es Ihnen. Ständig brütet sie über Bessies Testament und entdeckt immer wieder etwas darin, was sie als kränkend empfindet. Ihr letzter Einfall ist, Bessie habe beim Unterschreiben so fest
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