In eisigen Kerkern (German Edition)
Nicken in Richtung der Wanderfreunde und zog ein gestresstes Gesicht.
„Nelli, du siehst doch. Bisschen Geduld bitte noch.“
„Ich will nur mein Fahrrad.“
„Gleich.“
„Nein, sofort!“
„Die Wanderer sind in Eile, okay.“
„Ich bin auch in Eile.“
„Die sind aber zu Fuß. Und es ist schon nach eins.“
Er deutete kurz auf seine Armbanduhr und machte Anstalten, sich wieder in die Küche zurückzuziehen.
Nelli umrundete so schnell es ging die Theke und erwischte ihn am Hemdsärmel.
„Hiergeblieben, Freundchen, du gibst mir jetzt den Schlüssel!“
„Was?!“
„Den Schlüssel für die Garage.“
Sie zog mit der linken Hand ihren Umhängegeldbeutel unter dem T-Shirt hervor, während sie mit der rechten sein Hemd umklammert hielt.
„Hier, mein ganzes Geld und meine Papiere als Pfand. Ich bin in einer Minute wieder da.“
Andi spähte nervös zu den Wanderern, die herübersahen und tuschelten.
„Na los!“
Widerwillig kramte er aus seiner Hosentasche einen Schlüsselbund hervor und gab ihn ihr. Nelli legte ihr Mäppchen auf die Theke, ließ seinen Ärmel los und drehte sich wortlos zur Tür. Sie hatte gesiegt. Ein unnötiger Kampf war das gewesen, und sie verstand die Motive für Andis Verzögerungstaktik nicht, aber das war jetzt egal.
Sie riss die Tür der Gaststube auf, war mit drei Schritten durch den Flur an der Haustür und rannte über den leeren Parkplatz zu den Garagen. Hoffentlich war das Fahrrad nicht beschädigt!
Nelli zählte 17 Schlüssel an Andis schmucklosem Metallriegel. Ein Wunder, dass er das schwere, sperrige und spießende Ding in seiner engen Jeanstasche unterbrachte.
Die ersten drei Schlüssel ließen sich nicht ins Schloss stecken. Der vierte ging mit Gewalt hinein, aber ließ sich nicht drehen. Fünf bis neun passten wieder überhaupt nicht. Nelli probierte alle durch und merkte sich die drei, die gepasst, aber nicht gesperrt hatten. Also noch mal.
Verdammter Mist, funktioniert denn heute gar nichts auf Anhieb?!
Sie probierte die drei passenden Schlüssel noch einmal durch, versuchte es sanft und mit Gewalt.
Vergebens.
Dieses blöde Arschloch!
Nelli unterdrückte den Fluch und stampfte zurück zum Haus. In ihrer Wut stieß sie die Tür so heftig auf, dass sie gegen die Wand krachte. Andi stand hinter der Theke und zuckte zusammen.
Gut so!
Mal wieder alle Blicke auf sich, stürmte sie zur Theke, ließ mit lautem metallischem Klirren und Krachen die Schlüssel in die Spüle fallen und zischte:
„Du hast mir die falschen gegeben.“
Andi zog die Schlüssel aus der Spüle, während Nelli sich ihr Mäppchen zurückholte. Sie schaute hinein: Noch alle Scheine und Papiere da.
„Es gibt hier nur diesen einen Schlüsselbund. Ich komme gleich mal mit rüber.“
„Ich werd doch wohl noch eine Tür aufbekommen, wenn ich den richtigen Schlüssel habe!“
„Offenbar nicht.“
Andis Stimme klang so freundlich wie immer. Er nahm das Tablett mit den Gläsern, die er gerade eingeschenkt hatte, und machte sich auf den Weg zu seinen Gästen. Kochend vor Wut blieb Nelli stehen und schaute zu, wie er in aller Gemütsruhe das Tablett abstellte, sorgfältig Bierfilze vor jedem Gast auslegte und ausrichtete, die Gläser abstellte, lächelnd einen Strich auf jedem Filz machte, jedem einzeln ein herzliches Prosit wünschte und geraunte Fragen leise beantwortete.
Niemand sah zu ihr her, aber bestimmt ging es um sie.
Einer der Wanderer zog eine Karte aus dem Rucksack. Herrgott noch mal, bitte nicht! Nelli wusste genau, was jetzt kam.
Andi sah kurz zu ihr her, dann setzte er sich zu den Wanderern und begann mit ihnen die Karte zu studieren.
Er konnte doch nicht wirklich glauben, dass sie sich das gefallen ließ!
Aber es kostete schon Überwindung.
Zögernd ging Nelli zu dem voll besetzten Tisch hinüber. Neun Wanderer und der hilfsbereite Wirt. Zehn Gegner.
Mit flüchtigen, unwilligen Blicken wurde ihr Herüberkommen registriert.
„Ein Jammer“, hörte sie Andi fabulieren, „dass ihr so in Eile seid, den Gletscher hättet ihr unbedingt sehen müssen.“
„Und wenn wir hier übernachten?“, fragte einer der Wanderer auf Berlinerisch. Trotz ihrer Wut musste Nelli lächeln. Das alte Klischee vom Preußen in Bayernkluft.
„So leid es mir tut, aber ich hab keine Betten frei“, bedauerte Andi.
„Schade ist dat“, meinte der Berliner.
„Wenn ich mal kurz stören dürfte“, mischte sich Nelli ein.
„Kleinen Moment noch“, sagte Andi, ohne sie
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