In eisigen Kerkern (German Edition)
Gesicht an.
„Damit sie die Polizei schickt.“
„Aber ich hab nichts Böses gemacht!“
„Du hast mir aufgelauert. Und die Wahrheit sagst du mir auch nicht.“
„Nein. Doch.“
„Was?“
„Ich hab dir nicht aufgelauert. Und die Wahrheit sag ich doch.“
„Ich will nur heil hier herauskommen, Rolf.“
„Die verstecken was hier, was Schweres.“
„Wer die?“
„Die Leute hier.“
„Wen genau meinst du?“
„Ich kenn die doch nicht!“
„Was verstecken die?“
„Weiß nicht. Bitte mach mich los.“
„Was war los?“
„Ich hab das Haus beobachtet, von ganz da oben.“
Er bog den Kopf zurück und deutete mit gequältem Gesicht zur Decke.
„Vom Dach aus?“, fragte Nelli ungläubig.
„Nein, quatsch, vom Berg aus, von über dem Haus. Erst sind sie alle gegangen.“
„Die Leute, die hier arbeiten?“
„Ja, und dann war alles ruhig. Aber irgendwann, es war schon fast dunkel, kam ein Auto. Die sind ganz ums Haus herumgefahren, hier an diese Seite, und haben was aus dem Kofferraum ausgeladen und hereingeschleppt.“
„Was?“
„Sah aus wie ein Sack oder so. Deshalb bin ich doch hier.“
„Vielleicht ein solcher Sack, wie sie hier massenweise herumstehen? So was nennt man Lieferung.“
Rolf verrenkte sich, um die Mehlsäcke zu betrachten.
„Nein, nicht so ein Sack. Die werden doch nicht nachts geliefert. Es war auch nur einer und sah ganz anders aus, fast wie ein Mensch.“
„Warum willst du nicht, dass ich die Herolder anrufe?“
„Was? Wieso?“
„Das ist es doch, was du bezweckst. Du erfindest blöde Geschichten, um mich immer wieder abzulenken.“
„Nein, du wolltest doch wissen... und überhaupt! Mir egal, ob du die anrufst! Sag ihr, ich war’s nicht.“
Nelli schüttelte den Kopf und begann die ersten Zahlen von Fiona Herolders Nummer einzutippen. Hoffentlich hatte sie ihr Handy nachts eingeschaltet.
Ein kratzendes Geräusch vor dem Haus ließ sie aufhorchen. Auch Rolf war zusammengezuckt. Er starrte die Wand an, als könne er hindurchsehen.
„Was zum Teufel...!“
Es rumpelte gedämpft am Generator. Das monotone Dröhnen erstarb in einem gequälten Blubbern, und im selben Moment ging das Licht aus.
Totale Finsternis, totale Stille.
„Jemand...“
Rolf erschrak vor seiner eigenen Stimme, die plötzlich überlaut klang, und flüsterte den Rest: „Jemand hat den Generator ausgemacht.“
„Scheint so“, flüsterte Nelli zurück.
„Was machen wir jetzt?“
„Keine Ahnung. Ohne Strom kann ich nicht telefonieren.“
„Machst du mich bitte los?“
Die Art, wie seine Stimme klang, überzeugte Nelli davon, dass er wirklich genauso ahnungslos war wie sie und keine Gefahr darstellte. Andererseits, der Gedanke, ihn in völliger Finsternis loszubinden und nicht sehen zu können, was er mit seiner Freiheit anfing...
„Nelli!“
Sein Flüstern hatte den Klang hysterischen Schreiens.
„Gleich.“
Sie lauschte. Draußen war es absolut still.
„Losmachen!“
„Scht!“
Sie tastete sich von ihrem Standort am Telefon an der Wand entlang zur Tür.
„Ich hab Angst.“
„Musst du nicht. Hier kann ja niemand rein.“
„Aber wir können nicht raus.“
„Lass mich nachdenken.“
„Mir geht gleich alles in die Hose.“
Seine Wut war verpufft, er klang wieder weinerlich. Sein Gejammer machte Nelli aggressiv. Sie zuckte zusammen, als es von der Parkplatzseite her zu dröhnen begann.
„Was ist das?“, fragte Rolf entsetzt. Sein Flüstern war vor Angst halblaut geworden.
„Keine Ahnung. Klingt wie ein Motor. Ist aber weit weg.“
Beide lauschten atemlos.
„Es kommt näher“, flüsterte Rolf kaum hörbar.
„Ein Lkw. Vielleicht der Laster aus der Garage nebenan.“
„Wenn da draußen nur eine Person ist und die gerade Lkw fährt...“
„Was?“
„...dann sind die Türen unbewacht. Vielleicht könnten wir jetzt abhauen.“
„Bevor der Lkw ums Haus herum ist. Du hast recht.“
Nelli ging in die Hocke und tastete sich über den Boden in Rolfs Richtung. Warum nur war das so verdammt stockdunkel hier? Es musste doch Ritzen geben, durch die ein bisschen Nachtlicht scheinen konnte.
„Hier bin ich“, flüsterte Rolf.
„Hab dich. Her mit den Händen.“
Verdammt, die Knoten waren fest wie zusammengeleimt. Sie brauchte ein Messer.
Das Lkw-Brummen wurde merklich lauter.
„Beeil dich!“
„Ich mach ja.“
„Ich krieg Platzangst.“
„Kriegst du nicht. Du hast genug Platz.“
„Ich kann mich aber nicht bewegen!“
„Ich
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