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In eisigen Kerkern (German Edition)

In eisigen Kerkern (German Edition)

Titel: In eisigen Kerkern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Charakteristikum seiner Bewegung, und Nelli erkannte den Unbekannten: Es war die Person, die sie am Gletscher angegriffen und im Zelt steckend zusammengeschlagen, den Abhang hinabgestürzt, ihr Lager verwüstet, ihr alles genommen hatte. Diese Person hatte gerade Rolf das Genick gebrochen und würde auch sie eiskalt beseitigen. Diesmal drohte keine großflächig inszenierte Abreibung, sondern ein kurzer, harter Tod.
    In ihrer hockenden Stellung versuchte Nelli, dem nächsten Schlag auszuweichen, und riss dabei einen der Mehlsäcke um, als sie sich zur Seite warf. Hektisch versuchte sie, wieder auf die Beine zu kommen, und prallte mit der Schulter schmerzhaft gegen ein Hindernis, wahrscheinlich die Kante des Tisches, auf dem das Telefon stand.
    Der letzte Eindruck, den Nelli mit in das dunkle Loch der Bewusstlosigkeit nahm, war eine Faust, die auf ihre oberen Schneidezähne zuraste und mit einem der Fingerknöchel die Nase mit erwischte, umbog und vielleicht brach, aber das würde sie wohl viel später erst oder nie erfahren. Die Person sagte etwas, genau in dem Moment des K.O.-Schlages, erstmals überhaupt, dass sie sprach, leise und nur ein Wort, aber dieses Wort genügte.
    „Luder!“
    Jetzt weiß ich, wer du bist, dachte Nelli.
    Also doch eine Wiederbegegnung.
     
    Nelli räusperte sich, um der Welt ein Signal zu geben und ein Echo zu bekommen.
    Das Echo klang so beengt als stecke sie in einem unterirdischen Hohlkörper.
    Sie atmete durch den Mund, denn Nasenatmen ging nicht, schon der Versuch tat weh.
    Warum war das nur so eng hier? War sie gefesselt?
    Nein. Es fühlte sich an, als stecke ihr Körper wie ein Pfropfen in einer Felsspalte.
    Sie drehte sich um und versuchte, aufwärts zu kriechen. Der Raum über ihr weitete sich.
    Ihr Feuerzeug fiel ihr ein. Der letzte Gegenstand, der ihr nach dem Überfall am Gletscher geblieben war von ihrem alten Leben. Sie tastete nach ihrer Hosentasche, zog es hervor, knipste es an und schaute sich um.
    Sie kniete in einem Felsenkeller, der so flach war, dass man kaum aufrecht stehen konnte. Die reinste Höhle, war das, teils mit gemauerten Wänden, teils an nacktem Fels endend. Der Boden war nirgends wirklich eben, und der Abstand zur Decke schwankte zwischen Stand- und Kriechhöhe auf zwei bis drei Meter im Mittelbereich.
    Von ihrem Aufenthaltsort aus konnte Nelli nicht alle Teile dieser Höhle überschauen, aber sie konnte sehen, wo es rausging: nach oben. Nelli folgte mit dem Blick dem Verlauf eines Stromkabels, das sich neben ihr über den Felsboden zu einer Kabeltrommel ringelte, die zwischen übereinander gestapelten Holzstühlen stand.
    Was für ein Krempel hier! Leere Flaschen, zerdrückte Dosen, Altkleiderhaufen, die reinste Müllkippe. Aber die Kabeltrommel war neu, das Preisschild vom Baumarkt klebte noch drauf. Das rote Verlängerungskabel der Trommel streckte sich neben einer derben Holzleiter entlang fast senkrecht hoch zur Decke und verschwand im Spalt einer Holzklapptür.
    Die Klappe neben dem Satellitentelefon! Jetzt wusste Nelli, wo sie war.
    Ein heftiger Schmerz im Daumen ließ sie leise fluchen. Das Feuerzeug war zu heiß geworden. Sie ließ den Drücker los, und die Flamme ging aus.
    Sie musste da rauf. Gut möglich, dass Gerda oben lauerte, aber das musste sie riskieren. Sie wartete einen Augenblick, bis das Feuerzeug abgekühlt war, da kam ihr plötzlich die Frage in den Sinn, welches elektrische Gerät wohl hier unten betrieben wurde. Wozu der Aufwand, dieses Dreckloch mit Strom zu versorgen?
    Sie drehte sich, noch im Dunkeln, in die Richtung, in die das Kabel führte, und schnippte das Feuerzeug an. Ein heller, kastenförmiger Gegenstand war dort hinten. Der Raum darüber war nach oben hin etwas geweitet, man konnte in dem Bereich aufrecht stehen, wenn man nicht zu groß war.
    Zwei Meter überwand Nelli kriechend, auf dem letzten Meter streckte sie sich in die Höhe und kam schwankend und gebückt zum Stehen. Im tanzenden Licht des Feuerzeugs erkannte sie eine altmodische, querformatige Tiefkühltruhe mit länglichem Griff.
    Ohne lange nachzudenken zog Nelli an dem Griff, klappte den Deckel hoch und starrte begriffsstutzig auf den verbeulten, verschwollenen Schädel, der zum Vorschein kam.
    Sie erkannte ihn sofort, aber wehrte sich gegen das Erkennen. Unmöglich, das konnte er nicht sein, er lebte doch angeblich noch!
    Nelli betrachtete die strähnigen langen Haare, buschig im Nacken, spärlich auf dem Kopf, die zerschmetterte Nase, den Overall mit

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