In eisigen Kerkern (German Edition)
Sie noch im Wald bei unserem Verlag campiert haben. Ich wusste natürlich von Anfang an davon.“
Gieriges Saugen, Luftanhalten, stoßartiges Rauchausblasen.
„Wie auch immer, das hat nicht geklappt, und deshalb war diese Gerda so freundlich, es für mich zu holen und ein paar Fragmente vom Buchdeckel und weniger bedeutsame Seiten als falsche Fährte zu verstreuen. Ich erbat mir diesen kleinen Dienst als Gegenleistung, dass ich der Polizei nichts über diese ebenso dilettantischen wie niederträchtigen Briefe verraten würde.“
„Aber was hat denn das alles mit Monika...“
„Lassen Sie mich doch ausreden. Angenommen, ein Buch auf Grundlage dieses Tagebuches würde den Erfolg haben, den ich mir vorstelle, angefacht noch durch die Meldung, dass die Urheberin auf geheimnisvolle Weise verschwunden ist, dass vielleicht der Serienkiller Andi noch herumspukt und so weiter, dann könnte die liebe Monika daherkommen und sagen: He, spannendes Buch, danke für Ihre Mühe, Frau Herolder, aber die Tantiemen gehen an mich.“
„Und jetzt?“
„Raten Sie mal. In dem von Ihnen dankenswerterweise blind unterzeichneten Vertrag steht, dass im Fall der Fälle, sprich: wenn Sie wieder auf Weltreise gehen und länger als drei Monate verschwunden sind – dass dann alle Rechte an mich als Autorin fallen, sofern keine sonstigen Ansprüche angemeldet werden.“
„Aber diese Entführungsgeschichte...“
„...war so dumm, dass Wächter dafür geschlagen gehört. Zum Glück hat nie jemand davon erfahren. Meine Variante bringt viel mehr ein und ist völlig wasserdicht.“
Nelli dachte an ihr Tagebuch und spürte, dass ihre Kräfte zurückkehrten. Sie hatte nicht alles verloren, das Wertvollste war noch da.
„Renn raus und versteck dich!“, raunte sie Monika zu.
Sie nahm das Allwettergehäuse der Satellitentelefonbasis vom Tisch, schnellte herum und schlug damit auf Wächters Kopf ein. Der war so überrascht, dass er nicht mal einen Arm zur Abwehr hochbrachte. Das Metallgehäuse traf ihn an der Stirn und streckte ihn nieder.
Sofort wandte sich Nelli der verdutzten Gerda zu, lenkte sie mit einem Schritt zur Seite von der Tür ab und sah aus den Augenwinkeln, dass sich Monika tatsächlich davonzumachen begann, langsam und in kleinen Schritten, aber sie würde es schaffen.
„Hei!“, rief Nelli, um Gerda von ihr abzulenken, „hei, du feiges Luder, diesmal kann ich dich sehen!“
Wächter war nur in die Knie gegangen und begann sich wieder aufzurappeln. Nelli packte den Hocker, der neben dem Tisch stand, und schlug auf ihn ein.
Damit hatte Gerda freie Bahn. Sie ging dazwischen und riss den Hocker an sich. Dem ersten Gegenschlag konnte Nelli noch ausweichen, der zweite traf sie an der Schulter, der dritte schrammte die Wand, und Gerda verlor für eine Sekunde die Kontrolle.
Nelli versuchte, sich aufzurappeln.
Wächter lag reglos am Boden.
Monika war aus dem Raum verschwunden.
Vielleicht, wenn Nelli unter Gerda durchtauchte, konnte sie es auch schaffen, durch die Tür...
Es gelang nicht mal der Versuch. Sich abzuwenden, war ein Fehler gewesen. Sie spürte, wie sie im Genick gepackt wurde und eine andere Hand ihren hinteren Jeansbund umkrallte. Der Atem stockte ihr, so plötzlich und fest war der Klammergriff.
Sie wurde in die Luft gehoben, herumgewirbelt, zappelte, wollte sich an einem Mehlsack festkrallen, verfehlte ihn und sah ein schwarzes Loch auf sich zurasen.
Verdammt, die Klappe zum Kellerloch stand noch offen!
Mit der linken Schulter voraus stürzte Nelli in die Tiefe. Sie sah Gerdas rotes Gesicht über sich, sah die Leiter in Griffnähe, griff zu, erwischte eine Sprosse, krallte sich daran fest und konnte den Sturz abfangen.
Aber das erhellte Viereck wurde kleiner und schloss sich.
Klappe zu. Dunkelheit.
Etwas Schweres schabte direkt über ihr. Als Nelli auch mit den Füßen Tritt gefasst hatte und die Hand nach oben ausstrecken konnte, war die Klappe verrammelt. Sie war gefangen.
Als die Klappe wieder aufging, lauerte Nelli direkt darunter.
Das Feuerzeug hatte sie einstecken gehabt und nutzen können, in der Zwischenzeit ihr stockdunkles Verlies nach einer Waffe zu durchsuchen.
Wenn bloß Monika die Flucht gelungen war! Ihretwegen vor allem wünschte sie das, aber auch Nelli selbst hätte dann Grund zur Hoffnung, irgendwann befreit zu werden und nicht in diesem Loch krepieren zu müssen.
„Los, komm rauf!“
Das war Gerdas Stimme. Nelli musste sich erst mal an das gleißende Licht da oben
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