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In eisigen Kerkern (German Edition)

In eisigen Kerkern (German Edition)

Titel: In eisigen Kerkern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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geboren worden zu sein.“
    „Ja, so kommt es mir auch vor.“
    „Dieser Sonnenaufgang damals am Gletscher, der war so... überirdisch. Aber jetzt ist das Unwirkliche eher dieses Leben mit dir hier, in meinem alten Haus – ich meine, dem deines Vaters.“
    Monika deutete mit dem Kinn auf das Schulheft, das Nelli an ihren Bauch gepresst hielt, den Bleistift quer darüber.
    „Warum darf ich nicht lesen, was du da schreibst?“
    Nelli seufzte.
    „Ich versuche, herauszufinden, wer ich war, wer ich jetzt bin, warum ich so unzufrieden war und jetzt so zufrieden bin. Und wie es jetzt weitergehen könnte. Ich will ja irgendwas machen, nicht bloß herumsitzen wie damals, bevor dein Vater gestorben ist. Du kannst es lesen, irgendwann mal.“
    „Okay. Und jetzt zu Stefanie.“
    Nelli schnaufte tief ein und hielt die Luft an. Sie schaute mit geneigtem Kopf, zweifelnd, unentschlossen, minimal bereitwillig an Monika vorbei.
    „Nun schnauf schon aus und raff dich auf!“
    Nelli schnaufte aus und schüttelte den Kopf.
    „Was sie da alles gesagt hat, das lässt sich nicht so einfach verzeihen. Nicht, dass ich ihr noch böse bin, aber...“
    Monika nickte und lächelte.
    „Schon klar. Dann radeln wie eben nicht zu Stefanie, sondern...“
    „Wir radeln?“, unterbrach sie Nelli ungläubig.
    „Ja, komm mit.“
     
    Seit Gerda am Gletscher ihr Fahrrad demoliert hatte, war Nelli nicht mehr auf zwei Rädern unterwegs gewesen. Als sie jetzt zusammen in die Garage gingen, rechnete sie damit, dass zwei fabrikneue Fahrräder da stehen würden und bestimmt nicht die billigsten, denn Monika war qualitätsbewusst erzogen worden. Um so verblüffter war sie über das, was da tatsächlich neben den Autos parkte.
    „Was ist das denn?“
    „Das sind unsere Fahrräder.“
    „Das gibt’s doch nicht!“
    „Genau das Modell, oder? Ich hab ganz schön lang suchen müssen. Über Ebay hat’s dann endlich geklappt.“
    Nelli war mit ein paar Schritten bei den beiden altmodischen Herren-Fahrrädern, die samt Satteltaschen zumindest auf den ersten Blick beide ziemlich exakt ihrem eigenen, inzwischen verschrotteten Weltreise-Drahtesel glichen. Nelli packte den Lenker des einen Rades und schwang sich stehend in den Sattel. Ein seltsam anrührendes Gefühl. Sie schaute Monika an, die ihr eine Allwetterjacke reichte und eine zweite selbst anzog.
    „Und was soll das werden?“
    „Wir fahren jetzt deinen Weg. Zumindest ein Stück.“
    „Meinen Weg, als ich aufgebrochen bin? Jetzt gleich?“
    „Ja, ganz spontan und ungeplant. Wie damals. Ich will einfach wissen, wie das war.“
    „Aber...“
    Monika öffnete das Garagentor und setzt sich auf das andere Fahrrad.
    „Kein Aber bitte. Es ist wichtig für mich. Ich hab mich damals gefragt, wo du warst, welchen Weg du zurückgelegt hast, was dir durch den Kopf ging, ob du mich vermisst hast.“
    „Wir haben noch nicht gefrühstückt. Das kommt mir jetzt einfach zu überraschend.“
    „Genauso wollte ich das. Genauso überraschend wie damals. Bitte, mach das mit mir.“
    Nelli schaute sie an, sah, wie ernst es ihr war, und nickte lächelnd. Sie wendete das Fahrrad, Vorderreifen zum Garagentor, setzte einen Fuß auf die Pedale und räusperte sich.
    „Okay, ich komme gerade vom Arzt und fühle mich absolut grässlich. Auf dem Beifahrersitz meines Autos tauen zwei Tiefkühlpizzas auf. Ich sehe das alte Fahrrad und habe plötzlich so einen Bewegungsdrang. Ich will einfach nur ein paar Runden drehen, mir alles von der Seele strampeln. Und habe keine Ahnung, dass ich im Begriff bin, zu einer siebenjährigen Weltreise aufzubrechen.“

3. Buch
     
    Kapitel 7: Geisteskrankheit oder Racheplan?
     
    „Oh, verdammt, ist das kalt. Da lernt man ein geheiztes Bad schätzen.“
    Monika huschte aus dem Zelt, ging über den klumpigen feuchten Kohlenstücken des niedergebrannten Lagerfeuers in die Hocke, zog ungeniert ihre Jogginghose herunter und pinkelte vor Nellis Augen neben den Camping-Klapphocker.
    Nelli senkte reflexartig den Blick und schüttelte den Kopf. Sie stützte die Fäuste auf den feuchtkalten Waldboden und wusste nicht recht, ob raus aus dem Zelt oder wieder rein.
    „Wir haben Mitte November. Sei froh, dass es nicht geschneit hat.“
    „Mir friert gleich der Hintern ab.“
    „Na, dann lass uns doch endlich umkehren. Mir reicht es schon seit der ersten Nacht.“
    Monika zog die Hose hoch, räusperte sich statt einer Antwort den Hals frei und spuckte einen Schleimklumpen ins Gebüsch. Nelli konnte

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