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In eisigen Kerkern (German Edition)

In eisigen Kerkern (German Edition)

Titel: In eisigen Kerkern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Vielleicht verfolgte Monika ganz andere Pläne als einen Neuanfang mit der Witwe ihres Vaters als gute Freundin und Vertraute.
    „Monika!“, brüllte Nelli gegen den Fahrtwind an.
    In einer großen Kehre führte die Straße aus dem Wald heraus und hätte einen ersten Blick freigegeben auf den Fichtelgebirgsort Weißenstadt und seinen See, wären Nebel und trübgraue Nieselsuppe nicht so undurchdringlich gewesen. Es wurde flacher, und Monika hatte längst wieder angefangen zu treten. Nelli hängte sich nun richtig rein, um sie einzuholen. War ihr Fahrrad so schwer gängig? Oder sie selbst so schlaff geworden? Ein Abstand von 20, 30 Metern trennte sie, so sehr sich Nelli auch abmühte.
    Lass sie doch, irgendwann wird sie schon anhalten.
    Aber das Jagdfieber hatte sie gepackt. Und eine seit Tagen schwelende Wut. Ausgesöhnt oder nicht - wollte Monika sich mit unbefristeter Boshaftigkeit für die vergangenen Jahre rächen?
    Die Sache musste endlich geklärt werden, und zwar genau jetzt. Nelli stellte sich in die Pedale und trat mit voller Kraft und vollem Tempo. Schnell verringerte sich der Abstand. Wie ein Geschoss kam sie an Monikas Seite, um sie zu überholen und zum Anhalten zu zwingen. Die war gerade im Begriff, sich umzudrehen, und erschrak heftig. Nelli sah sie das Gleichgewicht verlieren, begriff im selben Moment, was sie angerichtet hatte, aber es war zu spät.
    Monikas Fahrrad schlingerte. Nelli wollte nach drüben greifen, um sie zu stabilisieren, versetzte ihr in der Hektik aber einen leichten Stoß an der Schulter. Monika kippte in voller Fahrt zur Seite und überschlug sich.
    Nelli bremste und schlug fast selbst noch hin, legte ihr Rad rasch im Graben ab und rannte zurück.
    Monika lag zwei Meter von ihrem Fahrrad entfernt auf der anderen Seite des Straßengrabens und war schon dabei, sich aufzurappeln, als Nelli neben sie sprang.
    „Bist du verletzt?“
    „Weiß nicht...“
    „Das Handgelenk?“, fragte Nelli und griff mit beiden Händen danach. „Was ist mit deinem Kopf?“
    „Nichts passiert. Bin irgendwie auf die Schulter gefallen.“
    Monika stützte sich mit der linken Hand ab und versuchte aufzustehen, während Nelli noch ihr rechtes Handgelenk untersuchte und ihr zugleich beim Aufstehen half.
    „Alles klar?“
    Monika ging in Gedanken und mit kleinen Bewegungen jeden Bereich ihres Körpers durch, prüfte die Standfestigkeit der Beine und nickte.
    „Die rechte Hand ist aufgeschürft. Warte...“
    Nelli rannte zurück zu ihrem Fahrrad. Irgendwo hatte sie ein kleines Erste-Hilfe-Päckchen stecken sehen. Monika hatte an alles gedacht gehabt. Schon verwunderlich bei einer kleinen überraschenden Spontan-Tour, zu der sie doch vermeintlich aufgebrochen waren. Was sie alles an Klamotten zum Wechseln eingepackt hatte, an Campinggeschirr, ganz zu schweigen von Zelt, Schlafsäcken, Schaumgummiunterlagen...
    Beim Start hatte Nelli gedacht, das sei, um die Umstände ihrer eigenen Tour nachzuvollziehen. Aber die waren ja eben nicht so gewesen, jedenfalls nicht von Anfang an.
    Sie fand das Päckchen, eilte damit zurück und hatte es schon geöffnet, als sie Monika erreichte. Die hatte ihr Fahrrad aufgehoben und prüfte es auf Schäden.
    „Halb so schlimm.“
    „Zeig mal deine Hand.“
    Bereitwillig hielt ihr Monika die Schürfwunde entgegen, während sie ihr Fahrrad mit der rechten stabilisierte.
    „Tut mir leid, das war... Ich wollte eigentlich...“, stammelte Nelli, während sie Monikas Wunde mit Desinfektionsflüssigkeit betupfte.
    „Wolltest du mich erschrecken? Sollte das ein Gag sein?“
    „Nein, natürlich nicht. Du bist einfach davongerast und hast auf mein Rufen überhaupt nicht reagiert.“
    „Ich hab nichts gehört.“
    „Wirklich nicht?“
    Nelli zog ein Pflaster ab und presste es auf die Wunde.
    „Nein. Ich war in Gedanken. Unten in Weißenstadt hätte ich doch sowieso gewartet.“
    „Und ich dachte, du willst mich abhängen.“
    Monika schüttelte den Kopf und schaute sie ungläubig an.
    „Schaffst du es bis heim? Oder soll ich ein Taxi rufen?“
    „Ein Taxi?“, fragte Monika gedehnt.
    „Bestimmt gibt es in Weißenstadt auch eine Busverbindung.“
    Monika schüttelte entschieden den Kopf. Nelli merkte, dass der Schrecken in den Hintergrund trat und sie wieder sauer wurde.
    „Was ist denn eigentlich los?“
    „Ich will weiterfahren.“
    Demonstrativ schob sie ihr Fahrrad zur Straße, wischte einen Dreckbatzen von einer der Satteltaschen und machte Anstalten, aufzusteigen. Mit

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