In eisigen Kerkern (German Edition)
mich haben Sie souverän und richtig reagiert. Sie sind eine sehr mutige Frau.“
„Schönen Dank. Aber wie kann ich mir sicher sein, dass Sie das vor Dritten so bestätigen? Sie könnten ja auch versuchen, mich reinzureiten und mir was anzuhängen.“
„Was denn?“
„Zum Beispiel, dass ich Ihr Tagebuch geklaut hätte?“
„Aber das hat doch Gerda bei ihrem Angriff auf mich vernichtet. Zwei Dutzend Touristen können bestätigen, die Fetzen davon gesehen zu haben.“
„Oder, dass ich in den Fall verstrickt wäre, sogar die treibende Kraft?“
„Warum sollte ich das tun?“
„Vielleicht ganz einfach, weil Ihr Gerechtigkeitsempfinden sich selbst gegenüber sich irgendwann zu Wort meldet. Wenn Sie erst mal ausgeschlafen und auskuriert sind, außer Gefahr und in der Lage, alles zu reflektieren...“
„Dann werde ich heilfroh sein, dass ich noch lebe, glauben Sie mir.“
„Könnte schon sein.“
„Ganz sicher.“
„Sie hätten ja auch keinerlei Beweise.“
Nelli schüttelte den Kopf.
„Keine. Alle Spuren führen zu Gerda.“
„Ja.“
„Also dann.“
Nelli tat einfach, als sei das Thema erledigt. Sie ging zu Monika, bückte sich und legte sich ihren Arm um die Schulter.
„Hoch mit dir!“
Monika stöhnte und brummelte sinnloses Zeug, aber der Ruck, als Nelli an ihrem Arm zog, veranlasste sie, sich hoch zu drücken.
„Würden Sie bitte...“, keuchte Nelli. Die Herolder steckte zwar die Waffe nicht weg, aber beugte sich durch das Loch, ließ sich Monikas linken Arm umlegen, griff sie um den Rücken und half ihr hinaus. Als auch Nelli draußen war, ging sie an den beiden vorbei und verkündete: „Na, dann wollen wir mal!“
„Helfen Sie uns?“, fragte Nelli. Monika hing wie ein nasser Sack an ihrer rechten Seite. Sie konnte sie unmöglich weiter als ein paar Meter mitschleppen.
Die Herolder schüttelte den Kopf.
„Diesen Moment nennt man Krisen-Entscheidung. Was immer Sie jetzt tun, es wird Ihren wahren Charakter enthüllen. Ich bin schon sehr gespannt.“
Monika rutschte ihr aus dem Griff. Nelli musste nachfassen und ihren linken Arm fest am Handgelenk packen, um ihn über ihrem Nacken zu fixieren. Mit ihrem rechten Arm hielt Nelli sie an der Taille fest. Ihre Schultermuskeln schmerzten. Ihre Hände fühlten sich taub an.
„Sie schießen nicht“, behauptete Nelli. Beim Sprechen verstärkte sich die Übelkeit.
„Wer weiß.“
„Nein.“
„Wenn ich muss. Aber im Moment sieht es nicht so aus, als ob ich es müsste.“
Nelli neigte den Blick nach rechts. Monikas Kopf lehnte an ihrem. Sie war bei Bewusstsein. Anders hätte sie es auch gar nicht mehr geschafft, sie aufrecht zu halten.
„Ich kann nicht mehr“, flüsterte Nelli. Sie beugte sich zur Seite, und bei dem Versuch, Monika abzusetzen, verlor sie die Kontrolle. Beide kippten nach vorn und stürzten aufs Eis.
Nelli rappelte sich hoch, stützte sich auf die Arme, verschnaufte kurz und richtete den Blick hoch zu Fiona Herolder.
„Sie bringen uns jetzt hier raus!“
Die Herolder neigte den Kopf und lächelte, ohne zu antworten.
Nelli drückte die Beine durch und kam von der Hocke schwankend auf die Beine. Sie machte einen Schritt auf sie zu und streckte ihr die Hand entgegen.
„Aber erst mal geben Sie mir die Waffe.“
Die Herolder prustete durch die Lippen, machte einen Schritt rückwärts und hob den Arm mit dem Revolver leicht an.
„Das ist aber ein plumper Trick, Schätzchen.“
Nelli schüttelte den Kopf.
„Das ist kein Trick. Oder wollen Sie uns wirklich erschießen?“
Sie machte einen weiteren Schritt auf die Herolder zu und noch einen. Die umgriff die Waffe jetzt mit beiden Händen und zielte auf Nellis Brust.
„Helfen Sie uns hier raus, dann geht die Sache für uns alle drei gut aus.“
„Für mich ganz bestimmt nicht.“
Die Herolder fing an zu zwinkern. Dieses Zwinkern kannte Nelli. Gleich würde sie die Augen schließen.
Nelli beschleunigte ihren Schritt, die Herolder beschleunigte ihr Zurückweichen. Ihr Zwinkern nahm zu. Sie stieß mit der rechten Schulter gegen eine Eiswand, schloss die Augen...
Nelli macht einen Schritt zur Seite und tauchte ab.
Der Schuss verfehlte sie, platschte ins Eis, und noch ehe die Herolder die Augen wieder geöffnet hatte, war Nelli bei ihr und hatte mit beiden Händen ihre Revolverhände gepackt.
Es kostete die ausgeruhte Frau nicht viel Mühe, sie zum Straucheln zu bringen und abzuschütteln. Wieder legte sie an, wieder begann sie zu zwinkern.
Nelli
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