In eisigen Kerkern (German Edition)
mir?“
„Inwiefern?“
„Dabei, wie es jetzt weitergeht. Was ist überhaupt mit deinem Illustrierten-Honorar?“
„Die Hälfte ist für Anwaltskosten draufgegangen. Und einen großen Teil vom Rest hab ich in unseren gemeinsamen Haushalt eingebracht. Schon vergessen?“
„Und jetzt hast überhaupt nichts mehr?“
„Schon noch was, aber nicht viel. Nimmst du Drogen?“
„Wie bitte?“
Nelli sah sie durchdringend an, und Monika hielt dem Blick wütend stand.
„Jeder, der Finanzprobleme hat, muss wohl Drogen nehmen? Man kann auch so über seine Verhältnisse leben. Und dann hab ich auch noch das Haus beliehen.“
Nelli dachte daran, wie ihr verstorbener Mann sein einziges Kind verwöhnt hatte, und auf einmal ergab alles einen Sinn. Wer in jungen Jahren immer alles sofort bekam, was er verlangte, der war wohl auch als Erwachsener nicht in der Lage, Verzicht zu üben.
„Warum hast du mir überhaupt Geld überwiesen?“, fragte Monika vorwurfsvoll.
„Weil ich kein Schmarotzer sein wollte. Von Schulden hatte ich ja keine Ahnung.“
„Du hattest gedacht, nun hast du ausgesorgt, oder?“
„Das ist so was von unfair, Monika.“
„Ist es nicht. Meine Situation hat dich einen Dreck gekümmert. Du hast nie auch nur irgendwas gefragt. Über mich, wie ich so lebe, was ich denke, was ich vielleicht abgesehen von deinem eigenen großen Lebensdrama für Sorgen habe, null Interesse. Hast da den ganzen Tag gesessen, schön in die warme Decke gewickelt, und in deine Schulhefte gekritzelt, wochenlang. Und mir nicht mal gezeigt, was du alles schreibst.“
Nelli schaute sie an, aber sah etwas ganz anderes als die wütend-verzweifelte, nassgeregnete, frierende junge Frau: Sie sah, wie Stefanie ins gepfändete Haus kam für Räumung und Übergabe zur Zwangsversteigerung, die Tagebuch-Hefte ihrer Ex-Schwägerin fand und genüsslich grinsend ihre Aufzeichnungen studierte.
„Das ist doch alles Stefanies Werk, oder?“
Monika schüttelte den Kopf.
„Nein.“
„Ach nein? Ihr lebt unbeschwert euer Leben, und ganz plötzlich, kaum bin ich zurück und hab mich gegen ihren massiven Widerstand mit dir ausgesöhnt, soll alles Geld weg sein?“
„Das wäre auch ohne dich so gekommen. Stefanie hat ja selbst nichts mehr.“
„Ha! Die und nichts haben!“
„Na ja, nichts mehr ist vielleicht übertrieben. Für sich selbst wird sie schon gesorgt haben.“
„Darauf kannst du wetten.“
„Es ist nicht so, dass sie schuld daran wäre, dass ich pleite bin. Wir gehen seit einiger Zeit schon getrennte Wege, schon bevor ich volljährig war. Eigentlich war das, als ich sie über deinen Besuch informiert habe, der erste Kontakt seit Monaten.“
„Und dann bist du verschwunden. Wo warst du überhaupt? Hatte das was damit zu tun, was jetzt ist?“
Monika kickte einen Stein in Richtung Straße und machte eine abwinkende Geste.
„Wenn ich dir helfen soll, musst du mir schon ein bisschen mehr sagen.“
„Aber muss das denn hier und jetzt sein? Ich hab Hunger. Ist doch außerdem eh alles zu spät.“
Nelli hob Monikas Fahrrad auf und hielt es ihr entgegen.
„Okay, gehen wir erst mal frühstücken. Aber vorher sage ich dir eins: Wenn ich so denken würde, wäre ich längst tot.“
Wie ein geprügelter Hund kam sich Nelli vor, als sie von Oberkotzau kommend, sich am Ampelstau entlang hangelnd, das Ortsschild von Hof passierte – wie ein Hund, den man davongejagt hatte, aber der zu dumm war, sich jagen zu lassen, der immer wieder zurückkam, bis er dabei draufging.
Was hatte sie hier noch verloren? Glaubte sie wirklich, etwas ausrichten, das bereits gepfändete Haus zurückerobern zu können und Stefanie dazu zu bringen, Monika bei einem Neuanfang zu unterstützen? Ausgerechnet sie, die sie schon zu Lebzeiten ihres Mannes keinen Einblick in die Vermögensverhältnisse der Familie gehabt hatte und auch gar nicht hatte haben wollen? Wie also jetzt, nach all den Jahren und all dem Geschehenen? Nicht mal Monika selbst hatte auch nur ansatzweise aufschlüsseln können, wieviel Geld dagewesen war, wo es jetzt geblieben sein könnte, was mit der Firma passiert war und wie Stefanie finanziell dastand.
Mit Wehmut dachte Nelli an ihre letztmalige Rückkehr nach Hof auf diesem Weg nach dem ersten Kampf am Gletscher gegen Andi, der inzwischen aufgetaut und verbrannt war. Objektiv hatte sie damals schlechter dagestanden, denn jetzt hatte sie zumindest noch genug Geld, um ein paar Wochen überleben zu können – damals hatte sie
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