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In eisigen Kerkern (German Edition)

In eisigen Kerkern (German Edition)

Titel: In eisigen Kerkern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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hätte er die Fernbedienung auch noch durchs Fenster geschmissen, beherrschte sich aber, entschuldigte sich, heulte, wählte, zappte... Du glaubst gar nicht, wie unglaublich gedehnt mir die Zeit in Erinnerung ist. Aber weil das erst der Anfang war und ich nicht ahnte, wie schlimm es noch kommen würde, erscheint mir diese Zeit des Wartens, bis Stefanie rangehen und sich alles aufklären würde, als sei das ein aufgeblähter Moment in meinem Leben gewesen, wie eine Zeitwucherung, die alles andere verdrängt und zusammenstaucht, verrückt.“
    Überhaupt nicht verrückt, dachte Nelli. Genauso ging es ihr selbst, was die Nacht in Andis Gewalt betraf. Eine Zeitblase, die sich blähte und blähte, der Moment des Zerreißens würde das Ende bedeuten, und da man das Ungewisse, das bevorstand, unendlich fürchtete, klammerte man sich lieber an das Davor, wollte zugleich, dass es endete und niemals endete. Noch immer, das wurde Nelli erst in diesem Augenblick bewusst, hatte sie das Gefühl, dass ihr das, was Andi ihr antun wollte, noch bevorstünde – so gedehnt, festgefügt und wie in Stein gehauen war die Zeit des Wartens.
    „Ich kenne das“, sagte Nelli nur.
    „Ach ja“, antwortete Monika, und es klang nicht wie „Ach ja, du hast so was ja auch mitgemacht“, sondern wie „Ach ja, denkst du wirklich?“
    „Ja“, bestätigte Nelli und erinnerte sich an die Ungewissheit. Sie fühlte sie durch und durch, diese Spannung: Was hat er vor, was kommt als nächstes? Weiß er eigentlich selbst, was passieren wird, oder ist er planlos? Kann ich mit beeinflussen, was kommt, oder bin ich völlig ausgeliefert? Mache ich alles noch schlimmer, wenn ich versuche, einzugreifen?
    „Ich hatte mein Taschenmesser dabei“, kroch Monika zurück in ihre Geschichte. „Ich habe es von Papa, weißt du noch, das hier.“
    Monika zog es hervor, und Nelli sah rote Schmierer auf dem mattsilbernen kleinen Messer. Sie dachte an die wässrigen Wunden an den Armen von Fiona Herolder.
    „Ich hatte damals gedacht: Was soll ich als Mädchen mit einem Taschenmesser? Für alle Fälle, hatte Papa gesagt, so was kann man immer brauchen. Und tatsächlich. Es fiel mir bloß ziemlich spät ein, vielleicht zehn Minuten, nachdem der Kerl mich allein gelassen hatte. Die Lehne, an der ich angekettet war, das war so braunes Plastik, Hartschaum. Ich säbelte an der dünnsten Stelle los, und das Messer richtete auch tatsächlich was aus, ich hatte schnell eine kleine Kerbe. Das ist auch so ein Gefühl: Hoffen und Bangen, dass er nicht kommt, bevor man los ist. Die Angst, was er machen könnte, wenn er einen erwischt. Und genau das passierte dann auch. Er kam mit einem Tablett ins Zimmer und tat erst mal so als hätte er nichts gemerkt. Wurstbrote, ein Bier für ihn, Limo für mich, zwei Gläser. Moment noch, sagte er, und tat so, als habe er was vergessen. Ich dachte, ich hätte das Messer rechtzeitig weggesteckt gehabt, weil ich ihn kommen gehört hatte.“
    Monika steckte das Messer wieder ein.
    „Aber?“
    „Er kam mit einer Rolle Paketschnur zurück. Damit hat er dann...“
    Sie unterbrach sich wieder, zog eine Ladung Rotz hoch und spuckte in hohem Bogen die Treppe hinunter. Nelli sah den nassen Klumpen neben dem Schuh am Fuß der Treppe aufklatschen.
    In Nellis Bauch drückte ein Schwall Übelkeit hoch in den Hals. Auf einmal wurden ihr Durst und Hunger wieder bewusst, vor allem Durst. Am liebsten wäre sie aufgesprungen, hätte gegen die Tür getrommelt und Fiona Herolder angeschrien, ihnen Wasser zu bringen. Sie sah sich an die Tür hämmern und schreien, während die Reporterin auf der anderen Seite lag, tot oder bewusstlos.
    Monika räusperte sich.
    „Mit der Paketschnur hat er meinen anderen Arm an die andere Lehne gebunden, hat das Knäuel tausendmal um mein Handgelenk herumgewickelt immer wieder durch die Lehne durch und so weiter, bis es ihm zu blöd wurde. Das Knäuel war einfach zu dick. Also hat er mich abgetastet und mein Messer gesucht, hat das Knäuel abgeschnitten und die Schnur verknotet. Nun war der rechte Arm ganz fest angebunden, unbeweglich, und der linke an der Kette. Ich hatte mich steif gemacht wie ein Panzertier, als er angefangen hatte zu fesseln, aber dann, als alles verknotet war, geriet ich doch in Panik. Ich zerrte und schrie. Sofort wurde er nervös, sah aus dem Fenster und schloss es hastig. Das war sowieso der Witz, ich hätte um Hilfe schreien können, die ganze Zeit schon. Vielleicht, wer weiß. Jedenfalls, er verließ

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