In eisigen Kerkern (German Edition)
kurz den Raum und brachte irgendwas mit, Lappen oder so, und mir war klar, was das sollte. Ich hörte sofort auf zu schreien, bettelte: Bitte nicht, ich bin auch ganz ruhig. Er ließ es dann auch, legte die Lappen auf dem Schreibtisch ab, hockte sich auf die Kante mir gegenüber und fing wieder an, Stefanies Nummer zu wählen. Zwischendurch aß und trank er, wollte mir was abgeben, aber ich konnte nicht, und er nickte verständnisvoll, der blöde Arsch. Als er fertig war, räumte er gewissenhaft sein Tablett ab, bevor er wieder Stefanies Telefon belagerte.“
Hinter ihnen, weit weg im Haus, erklang ein leises Geräusch – eine Tür, ein Schubfach, ein Fenster?
Sofort sprang Nelli auf.
„Frau Herolder, Fiona, hallo! Lassen Sie uns raus!“
Sie klopfte an die Tür, pochte mit den Knöcheln, hämmerte mit der Faust. „Geben Sie uns wenigstens was zu trinken!“
Monika saß teilnahmslos hinter ihr auf der Treppe, hatte sich nicht mal umgedreht.
„Dann endlich ging Stefanie ran“, sagte sie, als sei sie nie unterbrochen worden.
Nelli ließ ab von der Tür und setzte sich wieder neben Monika.
„Und?“, fragte sie.
„Der Kerl sagte zu Stefanie: Ich muss jetzt mal ganz offen mit dir reden. Deine Andeutungen machen mir Angst. Ich muss wissen, was du vorhast.“
„Was denn für Andeutungen?“, fragte Nelli.
„Das ist Stefanies Trick: Sie macht Andeutungen. Sie macht das bis heute erfolgreich und ohne Pannen. Bis auf diese eine.“
„Ich glaube, ich verstehe nicht.“
„Wart’s ab. Der Typ sagte: ...aber das genügt mir nicht, Stefanie, ich hab mich jetzt abgesichert. Ist dir noch gar nicht aufgefallen, dass deine Monika nicht nach Hause gekommen ist? Sie sagte irgendwas, er antwortete: Warte, ich geb sie dir – und hielt mir den Hörer hin. Ich war ganz gefasst, sagte: Stefanie, es ist wahr, er hat mich gefesselt. Sie meinte nur: Gib ihn mir wieder. Ich nickte ihm zu, er hielt sich den Hörer wieder selbst hin, Stefanie redete. Irgendwann fiel er ihr ins Wort, fauchte: Das genügt mir nicht, es geht schließlich um meine Existenz. Na und, kam es von Stefanie. Das hörte ich sogar, aber er wiederholte auch: Na und? Und dann: Du machst ja nichts? Doch, du machst Andeutungen, andauernd. Und du verbindest deine Andeutungen mit Wünschen. Doch, das nennt man Erpressung, Stefanie. Nenn es wie du willst, ich will, dass es aufhört. Ruf hier nie wieder an, hörst du!“
Monika machte, ohne Nelli anzuschauen, eine Geste des Auflegens und schwieg.
„Sie erpresst die Männer mit denen sie ausgeht?“, fragte Nelli. „Davon lebt sie?“
Monika seufzte.
„Nein, sie macht Andeutungen und äußert Wünsche, genau wie der Typ gesagt hat. Später ist sie ein paar mal an die Falschen geraten. Die haben ihr eine geklebt oder einfach den Kontakt abgebrochen, und das war’s dann. Sie macht ja nicht wirklich was. Sie spielt nur mit der Angst von denen, die sich Angst machen lassen.“
„Aber womit denn?“
„Da gibt es immer irgendwas. Die meisten sind verheiratet. Andere drehen was am Arbeitsplatz, bescheißen ihre Firma, hinterziehen Steuern. Sie hat ein Gespür dafür, sich Typen herauszusuchen, die erpressbar sind.“
„Aber das erzählen die ihr doch nicht freiwillig, oder?“
„Eben schon, die blöden Arschlöcher prahlen auch noch damit. Die halten sich für toll, wenn sie in irgendeiner Weise gegen die Regeln verstoßen, fühlen sich wie Cowboys oder heldenhafte Outlaws. Stefanie tut ihnen sogar einen Gefallen, sich als Zuhörerin zur Verfügung zu stellen. Und die wenigen Verschlossenen, denen kitzelt sie es heraus, indem sie selbst Geständnisse macht, harmlose natürlich. Kleine angebliche Tricksereien mit der Steuer oder sonstwas. Wer doof genug ist, grinst dann verschwörerisch und hakt ein: Das ist ja noch gar nichts, Kleine... Das schönste ist, dass manche der Typen sogar schon vorher wissen, wer sie ist und was sie macht. Es ist ihren Kumpels passiert, und sie lassen sich erst recht mit ihr ein, um sich zu beweisen, ganz nach dem Motto: Der Depp ist auf sie reingefallen, aber mit mir macht sie das nicht!“
„Und?“
Monika legte den Kopf zurück und spuckte einen weiteren Klumpen nach unten. Diesmal traf sie den Schuh und grunzte leise. Nelli merkte, dass es ihr gar nicht gelang, Spucke zu sammeln, so ausgetrocknet war sie.
„Du weißt doch, in was für Superhäusern sie schon immer gelebt hat. Gearbeitet hat sie dafür nie irgendwas.“
„Aber...“
„Was? Finanzamt?
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