In eisigen Kerkern (German Edition)
Sonstige Behörden? Das hat sie geregelt, sie ist ein absoluter Profi. Frag mich bloß nicht, wie, sie hat sich von mir nicht in die Karten schauen lassen. Ich hab sowieso nie mehr ein Wort gesprochen mit ihr nach dieser Sache.“
„Was ist passiert? Hat er dich laufen lassen?“
„Nein.“
Sie schnaufte und schüttelte den Kopf.
„Nein, hat er nicht. Er hockte wie ein Häufchen Elend auf dem Schreibtisch, starrte mich mit Dackelaugen an und jammerte: Da ist diese eine Sache, die ich Stefanie erzählt habe, nichts Schlimmes eigentlich, aber... – meinst du, die erzählt das wirklich jemandem? Und ich, nicht weniger bescheuert, antworte: Ich schätze, das ist inzwischen Ihr geringstes Problem. Er begreift erst nicht, schaut mich an, fragt: Wieso? Ich senke den Blick auf meine Fesseln, und er begreift. Damit geht das Gejammer erst richtig los: Was er für eine großartige Karriere vor sich gehabt hätte, sein schönes Leben, das soll jetzt alles futsch sein? Nein, nein, niemals, es wird ihm etwas einfallen. Er geht auf und ab, führt Selbstgespräche, schnappt sich das Telefon, wählt, legt wieder auf, fängt an, Koffer zu packen. Ich höre ihn oben wild herumkramen und alles auf den Kopf stellen.“
„Er lebte allein?“, fragte Nelli.
Monika nickte.
„Das kam ja noch dazu: Der Typ war total in Stefanie verknallt. Aber so was von. Der machte sich immer noch Hoffnungen und dachte, das mit mir könnte sie wegen seiner Entschlusskraft und Handlungsstärke sogar beeindruckt haben – dann wieder kam ihm die Einsicht, es könnte alles kaputt gemacht haben. Ein einziges Hin und Her. Als er wieder herunterkam, war er umgezogen, von Anzug und Schlips auf Freizeithemd und Jeans, aber alles edel, der Typ schien echt Geld zu haben, schon wie der eingerichtet war. Ich fragte: Warum haben Sie nicht einfach gezahlt? Er stotterte was herum von: ...im Moment nicht flüssig... und solchen Scheiß. Da wurde mir klar: Der hätte gezahlt, anstandslos, erst recht, weil er sie ja liebte. Stefanie lag mit ihm eigentlich genau richtig. Der konnte nur nicht. Alles nur noch Schein, genau wie bei unserer schönen Frau Herolder hier. Das schlimmste Problem für ihn war eigentlich, dass er sich vor ihr schämte, nicht zahlen zu können. Deswegen der ganze Aufstand, und er begriff nicht mal, dass er damit alles versaut hatte, zumindest dauerte es Stunden, bis er es begriff. Er hockte vor mir auf der Schreibtischkante, während es immer dunkler wurde, und spielte absurde Szenarien durch: Stefanie um Aufschub bitten oder eine Bank überfallen, wenn es gar nicht anders ging. Sich das Geld irgendwo borgen. Da dachte ich, vielleicht ist das meine Chance, und fing an: Machen Sie mich doch bitte erst mal los. Vielleicht gibt es ja wirklich einen Ausweg. Ich helfe Ihnen, eine Lösung zu finden, und ich sage auch niemandem, dass Sie mich gefesselt hatten.“
Nelli lächelte bitter.
„Ich schätze, damit hast du dir Ärger eingehandelt.“
Monika schüttelte den Kopf.
„Nein, der ging drauf ein. Er wollte ja, dass alles gut wird, und ich war der Schlüssel dazu. Das ist mir viel zu spät eingefallen. Vielleicht hätte es schon viel eher gezogen, mich auf seine Seite zu stellen. Eigentlich war das ein netter, dussliger, verzweifelter Kerl. Er nahm mein Taschenmesser und klappte die Klinge aus.“
„Dann ging doch noch alles glimpflich aus“, platzte Nelli gegen jede Überzeugung in Monikas Schweigen.
„Hast du vorhin nicht zugehört? Es ging überhaupt nicht gut aus. Gerade, als er die Paketschnur an meiner rechten Hand durchsäbeln wollte, heulte draußen leise eine Sirene los. Das konnte das Rote Kreuz, THW, Feuerwehr oder sonstwas gewesen sein, aber der Typ zuckte hoch wie von der Tarantel gestochen. Er lauschte. Die Sirene kam näher. Er flüsterte bloß: Stefanie hat die Polizei gerufen.
Genau das dachte ich natürlich auch, und ich überlegte, wie ich ihn jetzt steuern sollte, damit er nicht durchdrehte. Ich sagte ganz ruhig: Bind mich los. Ich bin nur zu Besuch hier. Stefanies Wort steht gegen unseres. Er sah mich an, Hoffnung im Blick, schnaufte ganz tief ein, hielt die Luft an. Dann schüttelte er den Kopf, stieß die Luft aus, sagte: Es ist ja nicht bloß das. Bestimmt hat sie mich in der anderen Sache verpfiffen. Die Schande ertrage ich nicht. Er ließ sich nach hinten sinken, hockte sich auf die Schreibtischkante mir direkt gegenüber und fing an, mit dem Messer an seinem linken Handgelenk herumzusäbeln. Mir wurde
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