In eisigen Kerkern (German Edition)
gebunden hätte, Tausende, um nicht erzählen zu müssen, was der Begegnung mit dem BMW-Fahrer gefolgt war.
„Wie alt warst du?“
„Wie gesagt...“
Monika lehnte sich weit zurück, stützte sich mit den Ellenbogen auf der Treppenstufe ab, an der sie angedockt hatte, sah kurz zur Decke, schnaufte ein und aus.
„...es war etwas mehr als ein Jahr nach deinem Verschwinden, also war ich wohl um die 13.“
„Erst 13“, sagte Nelli leise.
„Es ist nicht das, was du jetzt denkst“, unterbrach Monika sie schroff.
Nelli schaute verwundert und ratlos zu ihr hinüber. Monika fing ihren Blick kurz auf, schaute dann wieder geradeaus.
„Aber genauso schlimm. Auf andere Art. Der Typ stellte sich so was von blöd an. Hielt mir ne Zigarette hin, fragte mich, ob mir sein Schlitten gefällt, ob ich mal mitfahren will. Er war nervös, fahrig, irgendwie so kreischig überdreht. Hat geschwitzt und gestottert. Mir war völlig klar, dass er was vorhatte, und ich bin gerade deswegen eingestiegen. Was auch immer er wollte, es war vor allem gegen Stefanie gerichtet, und da wollte ich mitmachen. Außerdem war ich gespannt. Eigentlich wollte ich, dass irgendwas passierte, gerne auch was Schlimmes. Tja.“
„Und dann?“
„Wir fuhren zu ihm. Ein Fetzenhaus am Vogelherd. Er war unterwegs ganz offen, beruhigte sich wieder, erzählte ein bisschen von sich, was er machte, Geschäftsführer oder so in einer größeren Firma, ich weiß nicht mehr, aber angestellt, in einer Position wie auf dem Schleudersitz. Er hat dann angefangen, mich über Stefanie auszufragen. Ob sie viele Männer mit nach Hause bringe, ob sie schon mal Ärger mit einem dieser Männer oder mit der Polizei gehabt habe... Ich sagte: Keine Ahnung, so lang wohne ich noch nicht bei ihr und wir reden auch nicht über so was. Ich merkte, dass er wütend wurde. Er versuchte, sich das nicht anmerken zu lassen, lächelte sogar und blieb freundlich, aber auf einmal bekam ich Angst. Das kam einfach so, ohne besonderen Anlass. Ich sagte, ich wolle jetzt gehen. Er sagte: Setz dich bitte hin.“
„Wo war das?“
„So ne Art Nebenraum am Wohnzimmer im ersten Stock mit Blick auf einen super aufgemotzten Garten. Er verbaute mir den Weg zur Tür. Ich wollte mich nicht setzen. Als nächstes kam der berühmte Spruch: Ich will dir nichts tun, wirklich nicht, aber...“
Monika unterbrach sich, hielt für einen Moment die Luft an und machte ein Gesicht als würde sie gleich weiterreden. Dann senkte sie den Blick.
„Was aber?“, fragte Nelli sanft.
„Ach...“
Monika schüttelte den Kopf.
„...das volle Programm. Ich geriet in Panik, wollte an ihm vorbei. Er hielt mich fest, drückte mich auf einen Stuhl, so eine Art Schreibtisch-Stuhl mit offenen Lehnen. Dann hatte er plötzlich Handschellen, klick, und ich hing an dem Stuhl fest.“
„Hat er dich geschlagen?“
„Nein. Wozu? Der wollte bloß, dass ich zuhörte und antwortete. Das war ernst gemeint, dass er mir nichts tun wollte. Aber ich konnte ihm wirklich nichts antworten, ich hatte keinen Schimmer.“
„Was wollte er denn überhaupt wissen?“
„Kompromittierendes über Stefanie. Irgendwas, das sie nie freiwillig jemandem erzählen würde, so hat er sich ausgedrückt. Er hatte die ganze Zeit den Telefonhörer in der Hand, wollte schon wählen, wählte doch nicht, fragte noch mal nach. Bis ich losheulte. Das kam einfach so, eine Übersprungshandlung, aber damit war ihm wohl klar, dass bei mir das Ende der Fahnenstange erreicht war. Also wählte er endlich.“
„Stefanie?“
„Ja, klar. Aber sie ging nicht ran. Also warten. Er wollte mir was zu Essen anbieten, ich lehnte ab. Er stellte einen Naschteller vor mich hin. Ein Witz, aber es war gut gemeint. Wir hockten da rum. Alle fünf Minuten wählte er Stefanie an, tippte immer wieder die volle Nummer, kam nie auf Wahlwiederholung. Zwischendurch flennte er und entschuldigte sich dafür. Wählte wieder, wieder nichts. Er schmiss einen Briefbeschwerer durchs offene Fenster, einfach so, erschrak über sich selbst, als das Ding irgendwo krachend aufschlug, und entschuldigte sich gleich wieder, immerzu. Klingt komisch, aber irgendwann war die Angst weg, und der Typ ging mir nur noch auf die Nerven. Es war klar, dass Stefanie nachmittags nicht rangehen würde, da war sie in ihrer Beauty-Farm, aber das sagte ich lieber nicht. Er machte das Radio an, wieder aus, schob einen Fernseher rein und zappte, Ton an, Ton aus, Fernseher aus, wieder wählen, Fernseher an... Fast
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