In eisigen Kerkern (German Edition)
schöpfen. Nelli sah an ihrem Aufglimmen von Entschlusskraft, wie wenig Hoffnung sie selbst hatte.
„Ich hole ihn“, rief Monika und rannte die Treppe hinunter.
Nelli wandte sich der Tür zu. Ein ganz normales Türschloss mit Standardbeschlägen und beidseitigem Türgriff. Aber wenig Platz zum Anlauf nehmen. Andererseits waren sie zu zweit. Und sie waren eingesperrt, in die Ecke gedrängt, verzweifelt, hatten nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen.
Weiter so, Nelli, peitsch dich auf. Nimm noch mal alle Kraft zusammen!
Sie spürte, wie es wirkte. Sie dachte an einen Wasserhahn und wie es wäre, ihn aufzudrehen, den Kopf schräg darunter zu halten, den Mund zu öffnen, den Wasserstrahl damit aufzufangen.
„Also los!“, rief Monika, sprang die letzten Stufen hoch und hielt Nelli den Feuerlöscher entgegen. Auch sie war aufgepeitscht, vielleicht mehr noch als Nelli. Wir schaffen es, verdammt noch mal, ich glaube wirklich, wir schaffen es!
„Okay, wir müssen koordiniert vorgehen, unsere Kraft in einem Stoß vereinen, auf den Punkt bringen, verstehst du?“
„Ja.“
Sie klammerten sich an den Feuerlöscher, Monika links, Nelli rechts. Sie hatten weniger als einen Meter Anlauf.
„Warte“, sagte Nelli. „Schau, wir stoßen uns mit jeweils einem Bein an der gegenüberliegenden Wand ab.“
Sie machte es vor, Monika folgte ihrem Beispiel.
„Spannkraft aufbauen. Nicht gleich losrennen, warten. Spürst du, wie sich die Kraft aufbaut in uns beiden, wie die Kraft zusammenfließt, sich auf einen Punkt konzentriert?“
Monika nickte.
Verrückt, aber - Nelli spürte es wirklich. Sie hatte das Gefühl, Monikas und ihre Kräfte würden sich vereinen, wachsen und einen Druck anstauen, der sich selbst entladen würde, wenn er groß genug wäre. Der Feuerlöscher war ein Projektil, das von ihrer gemeinsamen Kraft durch die Tür getrieben werden musste.
„Jetzt!“
Sie stießen sich ab wie ein Körper, machten einen gemeinsamen Zwischenschritt und rammten den Feuerlöscher punktgenau unterhalb des Schlosses gegen die Tür. Das Schloss wurde gesprengt, die Tür flog auf, und die beiden wurden vom gemeinsamen Schwung in den Raum geworfen.
Nelli registrierte Sonnenlicht.
Sie hingen noch zusammen, rammten eine gegenüberliegende Wand, prallten zurück, wurden von den Füßen gerissen und fielen, noch immer beide fest an den Feuerlöscher geklammert, gemeinsam zu Boden.
Nelli dachte an den Wasserhahn, den sie visualisiert hatte, einen silberglänzenden Wasserhahn, aus dem klares, frisches Wasser in ihren Mund strömte.
Sie ließ, am Boden liegend, den Feuerlöscher los, wollte sich aufrichten und Monika mit hoch helfen.
Da sah Nelli die beiden uniformierten Polizisten und wusste, Monika hatte sie auch gesehen.
Sekunden bevor Nelli und Monika durch die Kellertür gebrochen waren, musste Fiona Herolder den Beamten die Haustür geöffnet haben. Sie war noch dabei, die Tür zu schließen, als Nelli die Szene erfasste. Sie und die beiden Männer starrten fassungslos zu ihnen her.
Hatte die Herolder sich umgezogen? Offenbar hatte sie sogar geduscht. Ihre schwarze Prinz-Eisenherz-Frisur umschwebte im Gegenlicht der hellen Sonne duftig ihren Kopf
Nelli sah der Reporterin an, dass sie am liebsten den Block gezückt und sich Notizen über das gemacht hätte, was soeben passiert war. Sie drängte sich an den Uniformierten vorbei, die noch irritiert an der Tür standen, und kam neugierig heran.
„Sind das die beiden?“, fragte einer der Polizisten, ein freundlich wirkender Grauhaariger mit Mauszähnen und Koteletten, und Nelli wurde schlagartig klar, dass da bereits eine Geschichte erzählt worden war. Die Hausbesitzerin hatte die Polizei zu Hilfe gerufen und telefonisch und beim Türöffnen erste Details über ein Verbrechen in ihrem Haus zu Protokoll gegeben, Details, die Nelli nicht mal raten konnte.
„Ja, das sind sie“, sagte die Herolder und blieb zwei Meter vor Nelli stehen. Sie starrte sie fasziniert an und schien sich jedes Detail einzuprägen: die Situation, die Energie, die noch in der Luft lag, Nellis Gesichtsausdruck, Monikas abflauende Begeisterung, die in neue Panik umschlug. Der Feuerlöscher am Boden.
„Liegenlassen!“, befahl der andere Polizist, ein athletischer Typ mit exakt gestutztem Bart. Er starrte Monika entschlossen an. Halb aufgerichtet, hatte sie die Hand nach dem Feuerlöscher ausgestreckt, und ihrem Gesicht war abzulesen, wozu sie ihn hatte benutzen wollen.
„Was ist hier
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