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In eisigen Kerkern (German Edition)

In eisigen Kerkern (German Edition)

Titel: In eisigen Kerkern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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nichts herankommen hörte und sah, keine Schritte, keinen Schatten, nicht mal ein Knirschen oder Klacken von Steinen, kein Schnaufen, kein Geräusch des Ausholens und Zutretens.
     
    Wird wohl nichts mehr aus einer langfristigen Lebensperspektive, dachte sie, als der Rammbock sie traf. Sie begriff sofort, dass sie in Lebensgefahr war. Sich schon wieder selbst in diese Gefahr begeben hatte. Sie könnte unterwegs sein nach Norden, wie in Hof geplant, pleite, aber ungefährdet.
    Vielleicht ungefährdet...
    Eine zweite Attacke traf sie, kaum dass sie auf die Seite gestürzt war und das Zelt dabei halb umgerissen hatte. Das war kein Tritt oder Stoß, sondern ein von oben geführter Schlag mit einer Keule oder einem Schläger. Das halb in sich zusammengefallene Zelt milderte die Wucht des Angriffs, aber nur ein bisschen. Nelli schrie auf, als sie den ungeheuren Schmerz am Arm in Höhe des Ellenbogens spürte. Sie musste ihren Kopf schützen. Sie musste vor allem aus dem Zelt heraus, in dem sie blind und gefangen war wie in einem Kokon.
    Ein dritter Schlag verfehlte ihren Kopf um Haaresbreite und krachte in den Schotter des Untergrundes. Nelli schrie auf vor Schreck. Sie musste den Unbekannten ansprechen, Kontakt aufnehmen, ihn vom blindwütigen Zuschlagen abbringen.
    „Was...“
    Zu mehr kam sie nicht. Der Zeltboden auf der Seite des Angreifers wurde gepackt und in die Höhe gerissen. Die Verstrebungen, mit denen sie das Zelt an großen Steinbrocken fixiert hatte, fetzten unter der plötzlichen Gewalt aus dem Zeltgewebe. Die letzte Haltestange brach ein, und der Leerraum um Nelli verschwand. Sie war eingehüllt von der Zeltplane.
    Ein schwerer Körper fiel auf sie. Ein Knie presste mit brutaler Gewalt auf die Stelle an der Schulter, an der das unbekannte Schlagwerkzeug sie getroffen hatte, und noch im Aufschreien traf sie ein erster Faustschlag im Gesicht. Da Nelli auf der Seite lag, erwischte der Angreifer ihre rechte Schläfe.
    Sie versuchte den Kopf einzuziehen, sich aufzubäumen, aber das Riesengewicht auf ihr drückte sie so fest auf den Schotter, dass ihr die Luft wegblieb. Sie konnte die Arme nicht bewegen, und die Beine waren in dem Stoffgewirr aus Zelt und Schlafsack gefesselt, sie konnte sie nicht mal getrennt einsetzen, sondern nur zentimeterweise gemeinsam damit ausschlagen wie mit einem Fischschwanz, was wirkungslos war, da der Angreifer auf ihr hockte.
    Ein zweiter Schlag traf sie am Wangenknochen, hämmerte die andere Seite des Kopfes gegen den steinigen Untergrund und ließ ihren Kiefer hörbar knirschen.
    Nelli unterdrückte den Impuls zu schreien. Tot stellen, das war wohl die einzige Chance in dieser Situation. Ein verirrter Schlag traf ihre Nase, ein weiterer ihre Stirn. Sie spürte heißes Blut über ihre Oberlippe fließen.
    Halb betäubt registrierte Nelli, dass die Last auf ihr verschwand, aber im selben Moment wurde sie gepackt, mit brutaler Kraft hochgerissen samt Zelt und allem, was darin war. Sie wurde durch die Luft geworfen, schlug auf schrägem Untergrund auf, rollte nach unten, fiel erneut ein Stück und prallte wieder auf. Diesmal war es so hart, dass es ihr die Seele aus dem Leib schleuderte. Ihr Bewusstsein wurde ausgelöscht. Das Letzte, was sie spürte, war die eisige Gegenwart des Gletschers.
     
    Ich will nicht zurück in diesen zertrümmerten Körper!
    Das war der erste Gedanke, der aus dem Nichts heraus sich in ihrem gemarterten Kopf entzündete. Oh Gott, dieser Druck im Schädel, diese Schmerzen. Diese Kälte.
    So lag sie lange und wartete darauf, ihren Körper wieder und diesmal endgültig zu verlassen, aber das passierte nicht. Sie hatte keine Ahnung welcher Körperteil es war, der sich als erster wieder bewegte, aber es tat so weh, so weh, so weh.
    Es war dunkel. Sollte es doch für immer dunkel bleiben.
    Irgendwas sagte Nelli, dass sie zufällig auf der Isomatte zum Liegen gekommen war, der Schlafsack sich halb um sie schlang und sie zusammen mit dem Restknäuel aus Zelt und Zeltinhalt warm hielt, sonst wäre sie längst erfroren.
    Der nächste Gedanke war: Es ist ja hell! Ganz von selbst ging ein Auge auf, sie hatte keine Ahnung welches, es war eine Reaktion auf die Helligkeit.
    Wie eine Raupe wand sie sich und entschlüpfte unter grässlichen Schmerzen ihrem Kokon.
    Mit ihrem Raupenbewusstsein betrachtete sie den zerfetzten und verdreckten Klumpen, der mal ihr Zelt gewesen war, von außen und lugte, auf alle Viere gestützt, den Abhang hoch. Dort oben waren ihre Sachen. Sie

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