In Gedanken bei dir (German Edition)
Sushischnippeln, sondern am Kamin, ein ernstes Gespräch mit
einem Glas Wein in der Hand. So ein Gespräch meine ich, ein großes, ein
ernstes. Ein Gespräch über Gefühle. Ein Gespräch über Lebensträume. Ein
Gespräch über uns, was uns wichtig ist und was für uns Glück bedeutet.
Okay,
haben wir aber nicht.
Ich
kann mich auch nicht daran erinnern, wann wir das letzte Mal Sex hatten. Ich
weiß noch, wie ich ihr beim ersten Mal im Bett in meinem Hotelzimmer in Moab
die Kontinentalverschiebung erklärt habe, als ich mich langsam über sie schob
und sie in der Subduktionszone unter mir vor Lachen bebte – okay, ein Joke.
Aber das letzte Mal?
Und
der letzte Kuss? Das letzte »Ich liebe dich«?
Cassie
war taff, sie hatte dem steigenden Druck standgehalten. Alex nicht. Er hatte
seine Sachen in seinen Chevy Blazer geladen und war nach Norden gefahren. Zum
Mount St Helens.
Jetzt
war er hier, und hier wollte er sein.
»Bist
du glücklich?«, fragte Cassie, und er sah sie überrascht an.
Glück
– das war nie ein Thema zwischen ihnen. Sie hatten sich nie gefragt, was Glück
eigentlich ist, wie es aussieht oder wie es sich anfühlt. Abgesehen von den
Kicks, die sie beide hin und wieder brauchten – sie waren beide
Adrenalinjunkies.
Alex
sah ihr an, dass sie nicht glücklich war, kein bisschen, und er spürte einen
Stich in seinem Herzen. Mitgefühl? Oder Liebe?
»Ja,
ich bin glücklich.«
Die
Felsen wichen zurück, und der Highway führte jetzt durch hügeliges Land, das
mit jungen Büschen und kleinen Bäumen überwuchert war. Dort vorn kam gleich die
Brücke über den Coldwater Creek. Jetzt war es nicht mehr weit.
»Die
Scheidung ... gibt es jemanden in deinem Leben?«, fragte Cassie.
»Ja,
ich will heiraten.«
Sie
wandte den Blick ab und schwieg eine Weile. »Gratuliere. Wann?«
»Sobald
du unterschreibst.«
Okay,
das hätte er nicht sagen sollen.
In
Cassies Augen funkelten die Tränen, als sie den Blick abwandte. »Wie ist sie
so?«
»Anders
als du.«
Hey,
was hätte er denn sagen sollen? Marlee war anders als Cassie, die beiden waren
wie Tag und Nacht – nicht nur wegen der Hautfarbe.
»Marlee
Rice, zweimal geschieden, vier Kinder von drei Vätern. Leah, Shari, Jordan und
Jaycie. Echt süße Kiddies, im Alter von sechs bis zwölf. Marlee ist
sechsunddreißig. Sie ist Journalistin und arbeitet für eine Zeitung in
Portland, Oregon.«
Cassie
sah ihn von der Seite an, aber Alex konnte ihren Blick nicht deuten. »Als wir
zusammen waren, hast du da jemals über Kinder nachgedacht?«
»Und
du?«
Sie
senkte den Blick, als würde sie über diese Frage nachdenken, dann schüttelte
sie unmerklich den Kopf.
Ihr
Duft rief Erinnerungen in ihm wach, Erinnerungen an Nächte voller Zärtlichkeit
und Leidenschaft, an Stunden, die sie eng umschlungen im Bett verbracht hatten.
An sinnliche Küsse. An verliebtes Getuschel.
Cassie
schob die Finger ineinander und verschränkte die Hände auf ihrem Schoß. »Wie
oft seht ihr euch?«
»Jedes
Wochenende, abwechselnd bei ihr oder bei mir, und wenn ich’s schaffe, auch mal
einen Abend in der Woche. Wenn nicht, dann skypen wir. Manchmal stundenlang.«
»Und
die Kids? Wie kommst du mit denen klar?«
»Ganz
prima, vor allem mit der Kleinen, mit Jaycie. Sie ist süß, Cassie. Du würdest
sie liebhaben. Wie lange hast du eigentlich vor zu bleiben?«
»Ich
weiß noch nicht. Nicht lange, vielleicht bis morgen oder übermorgen.«
»Du
könntest sie kennen lernen«, sagte er spontan. »Heute ist Mittwoch. Marlee
kommt am Freitag mit den Kleinen. Wir könnten in meinem Garten am See zusammen
grillen, was meinst du?« Als Cassie nicht sofort reagierte, legte Alex ihr die
Hand auf den Arm und strich mit dem Daumen über ihre angespannten Muskeln.
Dabei ertastete er eine perlmuttfarben schimmernde Narbe, die er noch nicht
kannte. Sanft sagte er: »Wir könnten miteinander reden, Cassie.«
Keine
Ahnung, was sie hatte, aber sie zuckte regelrecht zusammen.
Warum
war sie gekommen? Was wollte sie ihm sagen? Er bedrängte sie nicht. Wenn sie so
weit war, würde sie schon mit ihm reden. Sie hatten den ganzen Tag für sich.
Und dort, wo sie hinwollten, gab es nur sie beide.
Na
ja, abgesehen von ein paar Bären ...
Okay,
sie waren angekommen.
Gleich
hinter der schwenkbaren Schranke, mit der die Straße im Winter geschlossen
wurde, lag die Abfahrt zum Parkplatz. Dort begann der Hummock Trail, über den
Alex mit Cassie ins Tal des Toutle River wandern wollte.
Der
Kies knirschte
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