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In Gottes Namen. Amen!

In Gottes Namen. Amen!

Titel: In Gottes Namen. Amen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Rich
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Eiszeitprävention. Und ja, auch nicht so angesagt wie Wolkendesign, Pfauenproduktion oder die Abteilung für Sonnenuntergänge. Und natürlich war keine der menschenbezogenen Abteilungen je so bedeutend wie die Xenon-Etagen.
    Aber Craig war stolz auf seinen kleinen Arbeitszweig. Er arbeitete lieber bei den Wundern als sonstwo im Himmel.
    »Was hast du denn gegen uns?«, fragte er Vince. »Du hast doch selbst schon im siebzehnten Stock gearbeitet, weißt du das nicht mehr?«
    »Doch«, sagte Vince. »Aber das war vor meiner Beförderung.«
    »Ist es okay, wenn ich mich ins Wartezimmer setze?«, bettelte Craig. »Bis Gott Zeit für mich hat?«
    Vince zuckte mit den Schultern.
    »Von mir aus.«
    Vince Blake musterte den korpulenten, ungepflegten Engel im Wartezimmer. Solange er denken konnte, hatte er Craig schon nicht ausstehen können. Beide hatten gemeinsam in der Abteilung für Wunder angefangen; sie hatten sogar ihre Vorstellungsrunde zusammen gedreht. Dabei war von Anfang an klar gewesen, dass sie komplett unterschiedliche Typen waren.
    Vince, zum Beispiel, hasste es, bei den Engeln zu sein. Die endlose Recherche, das mühsame Codieren, die nervenaufreibende Anonymität. Er konnte sich noch gut an Craigs erstes Wunder erinnern: Er hatte achtundvierzig Stunden lang damit verbracht, ein Holzbrett mithilfe von Termiten so brüchig zu machen, dass es sich bei einer Karate-Vorführung mühelos von einem schwächlichen Mädchen durchschlagen ließ. Als das Kind das Brett zerteilte und es zerbröselte, applaudierte die gesamte Abteilung. Einige der älteren Engel stimmten einen Sprechchor mit Craigs Namen an, als hätte er jemanden vom Krebs geheilt.
    »Das war wunderbar, Craig – einfach wunderbar!«
    In Wirklichkeit war es lächerlich – wer interessierte sich schon für den Karateunterricht eines Mädchens? Viel zu trivial war das.
    Die meisten Engel betrachteten sich als Künstler, als versierte Handwerker, die nach Eleganz strebten. Ihr Ziel war es, so unsichtbar wie möglich zu bleiben, die Welt mit Fingerspitzengefühl und Anmut zu verändern. Vince hielt sie alle für einen Haufen Weicheier: Er entwarf ausschließlich gewagte, aufsehenerregende und garantiert medientaugliche Wunder.
    Gleich im ersten Monat schenkte er einer unfruchtbaren Frau in Boise Sechslinge. Seine Kollegen hatten ihn wegen der gesundheitlichen Risiken gewarnt und ihn davon zu überzeugen versucht, die Anzahl der Babys zu senken. Doch er hatte darauf reagiert, indem er noch zwei weitere Babys drauflegte und damit die ersten Achtlinge der Medizingeschichte zur Welt brachte. Die anderen Engel bezeichneten die Nummer als »schludrig« und »leichtsinnig«. Aber Vince war das egal. Die New York Post sprach von einem Wunder.
    Eine Woche später ließ er eine brasilianische Statue der Jungfrau Maria Bluttränen weinen. Drei Tage lang wurde er deshalb vom Dienst suspendiert, kehrte jedoch unverfroren wie eh und je zurück. An einem sonnigen Nachmittag im Mai leitete er einen Schwarm Gänse in die Flugbahn eines Jumbo-Jet. Als das Flugzeug vom Himmel stürzte, dirigierte er es zwischen zwei Wolkenkratzern hindurch auf den Hudson. Es gab Dutzende von Verletzten, aber keinen einzigen Todesfall – damit war es die »wundersamste« Bruchlandung seit Menschengedenken. Das Ereignis war so spektakulär, dass selbst die seriösen Medien einräumen mussten, der Himmel habe seine Hand im Spiel gehabt.
    »Wunder auf dem Hudson!«, schwärmten die Boulevardblätter.
    Seit Jahren hatte Gott keine so gute Presse mehr bekommen. Kaum sah er die Schlagzeilen, beförderte er Vince in die Vorstandsetage, und seitdem war er nun dort.
    Vince blickte skeptisch quer durch den Raum zu Craig. Die körperliche Erscheinung dieses Engels stieß ihn ab. Seine Hose mit den Kaffeeflecken klebte ihm unvorteilhaft an der Hüfte, und an seinem zerknitterten blauen Oberhemd fehlte mindestens ein Knopf. Sein schmuddeliges braunes Haar war deutlich sichtbar mit Schuppen gesprenkelt. Er trug Socken in seinen Sandalen, wobei die Socken nicht mal zusammenpassten.
    Zufällig trafen sich die Blicke der beiden Männer, und Craig wagte ein Lächeln. Doch der Erzengel funkelte ihn nur böse an. Craig war einer der überheblichen Snobs gewesen, die seine Achtlinge kritisiert hatten. Vince hatte ihn im Pausenraum darüber sprechen hören – er hatte das Wunder als »nullachtfünfzehn« bezeichnet. Wahrscheinlich konnte sich Craig nicht mehr daran erinnern, so etwas gesagt zu haben, aber

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